VwGO §§ 165, 151, 162 Abs. 2; RVG §§ 56, 33 Abs. 8
Leitsatz
- In der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die Erstattung der Reisekosten zwar – im Gegensatz zu sich nach ZPO richtenden Verfahren – nicht auf die Kosten eines Anwalts im Gerichtsbezirk begrenzt; allerdings ergibt sich in Anwendung des aus § 162 Abs. 1 VwGO abgeleiteten Grundsatzes der Kostenminimierung, dass auch hier die Reisekosten eines Rechtsanwalts regelmäßig ohne nähere Prüfung erstattungsfähig sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohn- oder Geschäftssitz seines Mandanten oder zumindest in dessen Nähe hat.
- Anderenfalls bedarf es auch im Verwaltungsprozess der Darlegung "guter Gründe" dafür, weshalb der konkrete auswärtige Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung betraut wurde.
VG Dresden, Beschl. v. 5.10.2017 – 13 O 43/17
1 Aus den Gründen
Die gem. §§ 165, 151 VwGO zulässige Erinnerung des Beklagten und Erinnerungsführers ist begründet.
Gegenstand der Erinnerung ist der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin, soweit darin die Festsetzung von weitergehenden Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld abgelehnt wurde. Hierüber entscheidet gem. § 56 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Einzelrichter.
Gem. § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO sind die Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig. Eine § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO inhaltlich entsprechende Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nur erstattungsfähig sind, wenn dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war, gibt es nach der VwGO nicht. Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Rechtsanwalts im Verwaltungsprozess hängt allerdings davon ab, dass es sich um notwendige Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung handelt. In Anwendung des daraus abgeleiteten Grundsatzes der Kostenminimierung sind Reisekosten eines Rechtsanwalts regelmäßig ohne nähere Prüfung erstattungsfähig, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohn- oder Geschäftssitz seines Mandanten oder zumindest in dessen Nähe hat; ansonsten bedarf es auch im Verwaltungsprozess der Darlegung "guter Gründe" dafür, weshalb der konkrete auswärtige Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung betraut wurde (Sächsisches OVG, Beschl. v. 3.11.2016 – 1 F 12/16, juris m.w.N.). Einem Beteiligten steht es zwar grundsätzlich frei, sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen von ihm auszuwählenden Rechtsanwalt vertreten zu lassen (§ 67 Abs. 2 VwGO). Daraus folgt jedoch nicht, dass auch alle Aufwendungen für jeden beliebigen Rechtsanwalt in vollem Umfang vom unterlegenen Prozessgegner zu erstatten sind. Ob eine Vertretung durch einen auswärtigen Rechtsanwalt als notwendig i.S.d. § 162 Abs. 1 VwGO anzusehen ist, hat sich vielmehr an Sinn und Zweck dieser Kostenbegrenzungsnorm zu orientieren. Notwendig sind danach nur solche Aufwendungen, die ein verständiger, weder besonders ängstlicher noch besonders unbesorgter Beteiligter in seiner Lage und im Hinblick auf die Bedeutung und die rechtliche und sachliche Schwierigkeit der Sache vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (vgl. statt vieler: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., 2016, § 162 Rn 3). Dabei hat der Beteiligte die sich aus dem Prozessrechtsverhältnis und den Grundsätzen von Treu und Glauben ergebende Pflicht, die Kosten niedrig zu halten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl., 2015, § 91 Rn 29).
In welchem Umfang nach diesem Maßstab Mehrkosten durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts erstattungsfähig sind, lässt sich nicht allgemein, sondern nur unter Berücksichtigung des Einzelfalles entscheiden. In der Rspr. ist anerkannt, dass die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts, z.B. wenn dieser über Spezialkenntnisse verfügt, die kein Anwalt im jeweiligen Gerichtsbezirk vorweisen kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 27.7.2006 – 2 N 04.2476, juris).
Die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes ist zudem auch unter Kostenerstattungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn sich die geltend gemachten Kosten für den auswärtigen Rechtsanwalt nicht wesentlich von denen unterschieden hätten, die notwendiger Weise entstanden wären, hätte der Beklagte und Erinnerungsführer ohne Kostenrisiko einen Rechtsanwalt aus dem Gerichtsbezirk des VG Dresden mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Denn im Gerichtsbezirk des VG Dresden, der die Zuständigkeit für die Kreisfreie Stadt Dresden, den Landkreis Görlitz, den Landkreis Bautzen, den Landkreis Meißen und den Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge umfasst (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 SächsJG), sind auch Rechtsanwälte ansässig, die ihren Kanzleisitz beispielsweise in Zittau haben, wodurch bei Wahrnehmung von Gerichtsterminen durchaus Fahrtkosten in einem Umfang entstehen können, die den geltend gemachten Fahrtkosten der Prozessbevollmächtigten des Beklagten und Erinnerungsführers entsprechen bzw. diese sogar übersteigen können (vgl. nur Bayerischer VGH, Beschl. v. 14.8.2014 – 15 C 13.150...