Eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV entsteht zutreffender Weise auch dann, wenn der Anwalt daran mitwirkt, dass der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurückgewiesen wird. Die Zurückweisung eines Antrags auf Erlass eines Strafbefehls kommt materiell-rechtlich einem Beschluss gleich, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird (§ 408 Abs. 2 S. 2 StPO). Dann muss aber der Anwalt, der an einer solchen Verfahrensbeendigung mitwirkt – etwa durch eine umfangreiche Einlassung – auch die Zusätzliche Gebühr verdienen. Gegenteiliger Auffassung ist das AG Rosenheim.
Für den in Ermittlungsverfahren für den Beschuldigten tätigen Verteidiger fällt die Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV nicht zusätzlich an, wenn das Gericht den Erlass eines von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl ablehnt.
AG Rosenheim, Beschl. v. 26.8.2014 – 8 Cs 420 Js 25786/12, AGS 2014, 553 = RVGreport 2014, 470 = NJW-Spezial 2015, 156
Soweit das Gericht darauf abstellt, im Verfahren über den Erlass eines Strafbefehls sei ohne Hauptverhandlungstermin zu entscheiden, trägt dies nicht, denn auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist ohne einen Hauptverhandlungstermin zu entscheiden. i.Ü. ist die Vermeidung eines Hauptverhandlungstermins nicht das allein ausschlaggebende Kriterium für eine Zusätzliche Gebühr. So erhält der Anwalt eine Zusätzliche Gebühr im vorbereitenden Verfahren auch dann, wenn das Verfahren dort eingestellt wird. Im vorbereitenden Verfahren gibt es aber bekanntlich keine Hauptverhandlungstermine, die hier vermieden werden können. Auch im Falle einer Entscheidung nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO ist ein Hauptverhandlungstermin gerade nicht vorgesehen. Folgt man der Auffassung des AG Rosenheim, würde der Anwalt belohnt, der die Entlastungsmomente zugunsten seines Mandanten zunächst zurückhält, wartet, bis der Strafbefehl ergangen ist, dann Einspruch einlegt und nunmehr erst vorträgt. Der Anwalt, der sogleich umfassend vorträgt und damit für eine vorzeitige Erledigung des Verfahrens sorgt, würde geringer vergütet. Daher muss auch die Mitwirkung des Anwalts, die zu der Abweisung des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls führt, mit einer Zusätzlichen Gebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 Nr. 4141 VV belohnt werden.
Beispiel
Gegen den Beschuldigten wird ermittelt. Die Staatsanwaltschaft beantragt sodann beim AG den Erlass eines Strafbefehls. Aufgrund seiner Einlassung erreicht der Verteidiger, dass der Antrag vom Gericht zurückgewiesen wird.
Auch jetzt entsteht nach zutreffender Ansicht die Zusätzliche Gebühr. Ausgehend jeweils von der Mittelgebühr, ist wie folgt abzurechnen:
I. Vorbereitendes Verfahren |
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
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200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
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165,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
385,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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73,15 EUR |
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Gesamt |
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485,15 EUR |
II. Erstinstanzliches Verfahren vor dem Amtsgericht |
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
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165,00 EUR |
2. |
Zusätzliche Gebühr, analog Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141, Nr. 4106 VV |
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165,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
350,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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66,50 EUR |
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Gesamt |
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416,50 EUR |