ZPO §§ 91 Abs. 1 S. 1, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 Abs. 1 u. 2; RVG § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 9
Leitsatz
Die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Nichtzulassungsbeschwerde durch den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners ist zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung regelmäßig erst nach der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde notwendig.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 15.10.2019 – 17 Ta (Kost) 6079/19
1 Sachverhalt
Der Kläger hat mit seiner Klage die Beklagte auf Zahlung einer Vergütung i.H.v. 381.757,85 in Anspruch genommen. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers durch Urteil zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Kläger hat durch einen anderen als seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz v. 23.11.2018 Nichtzulassungsbeschwerde bei dem BAG eingelegt. Er hat die Nichtzulassungsbeschwerde am 5.12.2018 zurückgenommen, ohne dass eine Begründung des Rechtsbehelfs erfolgt war. Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 5.12.2018, der bei dem BAG am 10.12.2018 einging, die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Das BAG hat dem Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Daraufhin hat die Beklagte die Festsetzung außergerichtlicher Kosten i.H.v. zuletzt 3.158,30 EUR begehrt. Das ArbG hat den Festsetzungsantrag durch Beschl. v. 24.7.2019 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, eine sachgemäße Prüfung der Erfolgsaussichten der Nichtzulassungsbeschwerde sei nicht möglich gewesen, weil die Beschwerde nicht begründet worden sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, die eine Festsetzung der in Ansatz gebrachten außergerichtlichen Kosten weiterhin für geboten hält. Ihr Prozessbevollmächtigter habe auftragsgemäß die Nichtzulassungsbeschwerde überprüft. Dabei seien Zweifel an der Bevollmächtigung des neuen Prozessbevollmächtigten aufgekommen, weil der bisherige Prozessbevollmächtigte des Klägers weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber dem Gericht mitgeteilt hatte, den Kläger nicht mehr zu vertreten. Ferner habe ihr Prozessbevollmächtigter überprüft, ob die übermittelte beglaubigte Abschrift der Beschwerdeschrift eine ordnungsgemäße Unterschrift enthalte und ob die Nichtzulassungsbeschwerde fristgemäß eingelegt worden sei. Die Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten sei – so meint die Beklagte – zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gegen die Nichtzulassungsbeschwerde erforderlich gewesen. Die Prüfung der Zulässigkeit dieses Rechtsbehelfs habe angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit keinen Aufschub zugelassen.
Der Kläger hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Für eine Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde habe es keine Notwendigkeit gegeben.
Das ArbG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LAG zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die nach § 104 Abs. 3 ZPO statthafte sowie nach § 567 Abs. 2, § 569 Abs. 1, 2 ZPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtspflegerin hat es zu Recht abgelehnt, die in Ansatz gebrachten außergerichtlichen Kosten der Beklagten für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde festzusetzen.
1. Der Kläger ist nach dem Beschluss des BVerfG v. 18.12.2018 – 5 AZN 851/18 – verpflichtet, die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen, zu denen gem. § 91 Abs. 2 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gehören, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Jede Prozesspartei ist dabei aus dem Prozessrechtsverhältnis und dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, die Kosten ihrer Prozessführung, die sie im Falle ihres Sieges vom Gegner erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung ihrer rechtlichen Belange vereinbaren lässt (BGH, Beschl. v. 15.10.2013 – XI ZB 2/13, NJW 2014, 557 m.w.N. [= AGS 2014, 95]; BAG, Beschl. v. 14.11.2007 – 3 AZB 36/07, NJW 2008, 1340).
2. Die Voraussetzungen für die begehrte Kostenfestsetzung sind bei Anwendung dieser Grundsätze nicht gegeben.
a) Es steht nicht in Frage, dass die Beklagte ihre Prozessbevollmächtigten mit der Vertretung in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beauftragen durfte. Die Beklagte befand sich nach der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Kläger insoweit in einer als risikobehaftet empfundenen Situation, weil sie selbst nicht absehen konnte, ob und inwieweit dieser Rechtsbehelf Aussicht auf Erfolg hatte.
b) Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben jedoch in Erfüllung des genannten Auftrags keine anwaltlichen Tätigkeiten ausgeführt, die zu einer Kostenerstattungspflicht des Klägers führen.
aa) Die Beklagte wurde bereits in dem Berufungsverfahren von ihren Prozessbevollmächtigten vertreten. Die bloße ...