RVG § 15 Abs. 2

Leitsatz

  1. Von derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG ist dann auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, d.h. wenn ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (BSG, Urt. v. 2.4.2014 – B 4 AS 27/13 R).
  2. Beauftragt der Verfahrensbeteiligte einen Rechtsanwalt damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen mehrere ergangene Verwaltungsakte vorzugehen, so wird dieser in derselben Angelegenheit tätig, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren geboten ist.
  3. Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit bei Leistungen der Grundsicherung liegt nicht vor, wenn bei einer Rücknahme der Bewilligung nach § 45 SGB X für die Vergangenheit die individuelle Prüfung der verfahrensrechtlichen und subjektiven Voraussetzungen der einzelnen Kläger erforderlich ist.

Thüringer LSG, Beschl. v. 30.7.2019 – L 1 SF 155/19 B

1 Sachverhalt

Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim SG anhängig gewesene Verfahren S. 51 AS 5511/13 der von dem Beschwerdeführer vertretenen Kläger.

Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung einer Vergütung i.H.v. 1.059,10 EUR. Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung auf 714,00 EUR fest. Hiergegen richtete sich die Erinnerung des Beschwerdeführers. Daraufhin hat das SG die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung für das Klageverfahren auf 928,20 EUR festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, dass das Verfahren S. 51 AS 5511/13 mit dem Verfahren S. 31 AS 5510/13 gebührenrechtlich keine Einheit bilde und in beiden Verfahren die Höchstgebühr jeweils festzusetzen sei.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem LSG zur Entscheidung vorgelegt.

2 Aus den Gründen

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft, jedoch unzulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR nicht; die Beschwerde wurde auch nicht durch die Vorinstanz wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 2 RVG).

Der Beschwerdewert errechnet sich aus dem Unterschied zwischen der vor der Vorinstanz festgesetzten und der mit der Beschwerde geltend gemachten festzusetzenden Vergütung einschließlich der Umsatzsteuer. Das SG hat die zu erstattende Vergütung auf 928,20 EUR festgesetzt. Der Beschwerdeführer hatte unter Berücksichtigung seiner Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren die Festsetzung der Vergütung auf 1.059,10 EUR beantragt. Der Beschwerdewert beträgt damit nur 130,90 EUR.

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass die Verfahren S. 51 AS 5510/13 und S. 51 AS 5511/13 nicht als dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG angesehen werden können.

Von derselben Angelegenheit wird regelmäßig dann ausgegangen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl. BSG, Urt. v. 2.4.2014 – B 4 AS 27/13 R m.w.N.). Dies gilt auch für Individualansprüche nach dem SGB II; die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft löst lediglich eine Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV aus (vgl. BSG, Urt. v. 2.4.2014 – B 4 AS 27/13 R [= AGS 2014, 458]; 21.12.2009 – B 14 AS 83/08 R; 27.9.2011 – B 4 AS 155/10 R [= AGS 2012, 69]; a.A. Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., 2015, § 15 Rn 23). Entscheidend ist, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt (vgl. BSG, Urt. v. 2.4.2014 – B 4 AS 27/13 R [= AGS 2014, 458]; Thüringer LSG, Beschl. v. 6.11.2014 – L 6 SF 1022/14 B). Entsprechend hat das BVerwG im Urt. v. 9.5.2000 (11 C 1/99 [= AGS 2001, 246]) ausgeführt, "dieselbe Angelegenheit" komme vor allem in Fällen paralleler Verwaltungsverfahren in Betracht, wenn dieselbe Behörde Verwaltungsakte aus einem gemeinsamen Anlass und Rechtsgrund in engem zeitlichen Zusammenhang objektbezogen erlässt, sodass einen Adressaten mehrere Verwaltungsakte erreichen, die auch zusammengefasst in einem einzigen Bescheid hätten ergehen können. Beauftrage dann der Adressat einen Rechtsanwalt damit, aus demselben rechtlichen Gesichtspunkt einheitlich gegen alle Verwaltungsakte vorzugehen, werde dieser, sofern keine inhaltliche oder formale Differenzierung zwischen den Verfahren geboten sei, in "derselben Angelegenheit" tätig. Unerheblich sei, ob der Rechtsanwalt die Widersprüche in einem einzigen, alle Verfahren betreffenden Schreiben oder in mehreren, die jeweiligen Einzelverfahren betreffenden Schreiben, die sich nur hinsichtlich der jeweiligen Verfahrensangabe (Objekt, Aktenzeichen) unterscheiden, einlege und begründe. Anders sei es allerdings, wenn der Rechtsanwalt auftragsgemäß unterschiedliche Einwände gegen die jeweiligen Verwaltungsakte vortrage oder nennenswert unterschiedliche v...

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