Berechtigt ist berechtigt

Der Entscheidung des LG München lag ein alltäglicher Sachverhalt zu Grunde.

Im Rahmen eines rechtsschutzversicherten Mandates übersandte ein Anwalt 2016 eine Gerichtskostenvorschussrechnung an den Rechtsschutzversicherer. Dieser zahlte die geforderten Gerichtskosten an den Anwalt und bat um Weiterleitung an die Gerichtskasse. Mehr als vier Jahre später stellte die Rechtsschutzversicherung einen Antrag auf Einsicht in die Gerichtsakten.

Dem Gericht wurde mitgeteilt, dass der Anwalt den Verlauf der Sache weder von sich aus noch auf Nachfrage der Versicherung mitgeteilt habe. Es sei daher unbekannt, ob es überhaupt zur Einzahlung der Gerichtskosten gekommen sei. Hier könne ein eigener Erstattungsanspruch gegen den Anwalt bestehen. Sollte eine Einzahlung erfolgt sein, könne es eigene Erstattungsansprüche gegen den Prozessgegner geben (§ 86 VVG).

Es kann hier kaum überraschen, dass das LG München I die Akteneinsicht im Hinblick auf die Einzahlung des Vorschusses bewilligte. Das Vorliegen eines rechtlichen Interesses nach § 299 Abs. 2 ZPO liegt auf der Hand.

Wirklich überraschen kann auch das Ergebnis der Akteneinsicht nicht. Die bevorschussten Gerichtskosten haben das Gericht nie erreicht. So erklärt sich unter Umständen, dass der Einsicht durch die anwaltlich vertretenen Klageseite widersprochen wurde, eine Begründung jedoch nicht erfolgte.

Spannend ist vielmehr, dass es immer noch zahlreiche Verfahren gibt, bei denen das Auskunftsrecht von Rechtsschutzversicherungen gegenständlich ist. Hier stellt sich die Frage, ob den betroffenen Anwälten die höchstrichterliche Entscheidung des BGH aus Februar 2020 gegenwärtig ist.[1] Führt ein Anwalt im Auftrag des rechtsschutzversicherten Mandanten die Korrespondenz mit der Versicherung und fordert von dort Vorschüsse an, muss er der Versicherung alle für die Abrechnung wesentlichen Informationen mitteilen. Von der Verschwiegenheitspflicht ist er konkludent entbunden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welcher Form die Beratung des Klägers im Rahmen des Widerspruchs erfolgte. Welcher Zweck sollte mit dem unbegründeten Widerspruch verfolgt werden? Hätte der Widerspruch Erfolg gehabt, hätte es der Rechtsschutzversicherung nach dem BGH[2] doch freigestanden, eine Auskunftsklage einzureichen. Dieser kostenintensivere Weg sollte doch möglichst vermieden werden.

Eine Belastung der Gerichte ist angesichts der klaren Rechtslage ebenso unnötig, wie eine Beteiligung des Mandanten oft unergiebig ist. Die Vorschüsse hat der Anwalt erhalten und die genaue Verwendung ist ihm bekannt.

Die dargestellte Rechtslage gilt auch für eine andere Konstellation. Da ein Vorschussrecht des Anwalts gem. § 9 RVG bezüglich der Gerichtskosten nach zutreffender Lit. nicht besteht,[3] erfolgen auf Wunsch des Kostenschuldners auch Zahlungen direkt von der Rechtsschutzversicherung an das Gericht. Eine Abrechnung oder Rückzahlung erfolgt jedoch nach der Kostenverfügung (KostVfg) gegenüber dem Prozessbevollmächtigten. Erteilt dieser keine, bzw. keine vollständige Abrechnung gegenüber der Versicherung, ist das nächste Einsichtsgesuch oder die nächste Auskunftsklage vorprogrammiert. Hier stellt sich die Frage, ob eine andere Verfahrensweise nicht im Interesse aller Beteiligten wäre. Eine Rückerstattung an den Einzahler würde sicherlich vieles vereinfachen.

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) Till Humpe, LL.M., Düsseldorf

AGS 12/2020, S. 599 - 600

[2] BGH, a.a.O.
[3] Bischof/Klüsener, in: Bischof/Jungbauer, RVG, 8. Aufl., 2018, § 9 Rn 2; Riedel/Sußbauer, RVG, 10 Aufl., 2015, § 9 Rn 1; AnwK-RVG, 7. Aufl., 2014, § 9 RVG Rn 59.

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