RVG VV Nrn. 4143, 4144
Leitsatz
Die besonderen Gebühren für das Adhäsionsverfahren erhält der Vertreter eines Verfahrensbeteiligten zusätzlich zu den ihm im Übrigen zustehenden Gebühren; sie werden auf diese nicht angerechnet.
OLG Celle, Beschl. v. 13.7.2020 – 3 Ws 164/20
1 Sachverhalt
Das LG hatte gegen den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe verhängt und ihn dazu verurteilt, der Nebenklägerin 4.000,00 EUR Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin hat das LG dem Verurteilten auferlegt. Ferner hat es angeordnet, dass der Verurteilte auch die besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und die der Nebenklägerin hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen bis zu einem Streitwert von 7.000,00 EUR zu tragen habe. Die weitergehenden notwendigen Auslagen der Beteiligten im Adhäsionsverfahren hat es der Nebenklägerin auferlegt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Der Beistand der Neben- und Adhäsionsklägerin beantragte daraufhin die ihr vom Verurteilten zu erstattenden Auslagen im Adhäsionsverfahren auf 2.216,38 EUR festzusetzen. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte er ferner, die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen gegenüber der Staatskasse i.H.v. 609,28 EUR festzusetzen.
Die Kostenbeamtin des LG hat die dem Beistand der Nebenklägerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung antragsgemäß auf 609,28 EUR festgesetzt. Die der Neben- und Adhäsionsklägerin vom Verurteilten zu erstattenden notwendigen Auslagen hat die Rechtspflegerin auf 1.607,10 EUR festgesetzt und daneben einen Übergang des Erstattungsanspruchs i.H.v. 609,28 EUR auf die Staatskasse festgestellt.
Dagegen wendet sich die Neben- und Adhäsionsklägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, soweit ein Betrag i.H.v. 609,28 EUR nicht zu ihren Gunsten festgesetzt, sondern festgestellt worden ist, dass dieser Betrag auf die Staatskasse übergegangen sei.
Die Vertreterin der Landeskasse hält das Rechtsmittel für begründet. Der Verurteilte hat von der über seinen Verteidiger gewährten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde der Neben- und Adhäsionsklägerin hat Erfolg.
Die Bezirksrevisoren bei dem OLG als Vertreterin der Landeskasse hat dazu in ihrer Stellungnahme ausgeführt:
"Die Gebühren Nr. 4143 sowie Nr. 4144 VV entstehen als zusätzliche Verfahrensgebühren für das erstinstanzliche bzw. das Berufungs- bzw. Revisionsverfahren im Adhäsionsverfahren. Laut Urteil der 2. großen Jugendkammer – 22 KLs 6 Js 19683/18 – ist der Angeklagte rechtskräftig u.a. zu den besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens verurteilt worden und hat die Auslagen der Nebenklägerin zu tragen. Eine Beiordnung des Vertreters der Nebenklage ist für das Strafverfahren, jedoch nicht für das Adhäsionsverfahren erfolgt. Daher sind die Kosten auf Antrag des Beistandes der Nebenklägerin gegen den Verurteilten festgesetzt worden."
Die dem beigeordneten Beistand der Nebenklägerin aus der Staatskasse ausgezahlte Verfahrensgebühr für die Revision des Strafverfahrens Nr. 4130 VV ist jedoch nicht auf die Gebühren des Adhäsionsverfahrens anrechenbar (…). Die Anrechnung entbehrt der Grundlage.“
Dem tritt der Senat bei.
Das Vergütungsverzeichnis zum RVG sieht in Nrn. 4143 und 4144 VV besondere Verfahrensgebühren für das Adhäsionsverfahren vor. Diese Gebühren erhält der Vertreter eines Verfahrensbeteiligten zusätzlich zu den ihm i.Ü. zustehenden Gebühren; sie werden auf diese nicht angerechnet (vgl. Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., VV 4143, 4144 RVG Rn 2). Anderenfalls würde der mit diesen Gebührentatbeständen verfolgte Zweck, einen Anreiz zum Betreiben des Adhäsionsverfahrens zu schaffen, unterlaufen. Einzige, indes hier nicht einschlägige Ausnahme ist die in Anm. Abs. 2 zu Nr. 4143 VV vorgesehene Anrechnung zu einem Drittel auf die Verfahrensgebühr für einen bürgerlichen Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs.
Die Höhe der Gebühren nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ist ausgehend von dem festgesetzten Streitwert zutreffend ermittelt worden.
AGS 12/2020, S. 568 - 569