ZPO § 567 Abs. 3; RPflG § 11 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz
Die prozessuale Möglichkeit des Beschwerdegegners, sich einer sofortigen Beschwerde des Beschwerdeführers anzuschließen, schließt die Rechtspflegerinnerung des Beschwerdegegners gegen den gleichen Beschluss aus. Über beide Rechtsbehelfe ist einheitlich zu entscheiden.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 27.5.2020 – 8 WF 80/20
1 Sachverhalt
Das FamG hatte die vom Antragsteller an den Antragsgegner zu erstattenden Kosten auf 126,09 EUR festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung haben der Antragsteller Erinnerung, der Antragsgegner sofortige Beschwerde jeweils form- und fristgerecht eingelegt. Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners nicht abgeholfen und die Entscheidung über die Erinnerung des Antragstellers bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts zurückgestellt.
2 Aus den Gründen
Der Beschluss des Rechtspflegers war aufzuheben, da dieser lediglich über die Nichtabhilfe der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners entschieden und die Entscheidung über die Erinnerung des Antragstellers gegen denselben Beschluss zurückgestellt hat. Über Rechtsbehelfe gegen die gleiche Entscheidung ist grds. einheitlich zu entscheiden, weil ansonsten einander widersprechende Entscheidungen nicht auszuschließen sind (OLG Koblenz, Beschl. v. 13.3.2003 – 14 W 146/03). Dies gilt folglich auch für die Entscheidung über die Abhilfe der Rechtsbehelfe durch das Ausgangsgericht.
Eine getrennte Entscheidung ist vorliegend nicht etwa deshalb notwendig, weil der Antragsteller Erinnerung eingelegt hat, über die das Ausgangsgericht zu entscheiden hätte (§ 11 Abs. 2 RpflG), während die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Beschwerde beim Beschwerdegericht liegt. Rechtsbehelfe sind grds. in ein zulässiges Begehren auszulegen, eine unrichtige Bezeichnung ist unschädlich, solange der Wille zum Ausdruck gebracht wird, die angefochtene Entscheidung möge in einem zulässigen Rechtsbehelfsverfahren auf ihre Richtigkeit geprüft werden (Heßler, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 569 ZPO, Rn 7a m.w.N.).
Eine zulässige Erinnerung setzt voraus, dass gegen die angegriffene Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben ist (§ 11 Abs. 2 S. 1 RpflG). Dies wäre vorliegend für den Rechtsbehelf des Antragstellers allein der Fall, da der nach § 567 Abs. 2 ZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht ist. Nach Einlegung der Beschwerde des Antragsgegners ist der Rechtsbehelf des Antragstellers aber als Anschlussbeschwerde gem. § 567 Abs. 3 ZPO zulässig, denn für deren Zulässigkeit ist das Erreichen des Beschwerdewertes nicht erforderlich (KG NJW-RR 87, 134; Heßler, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., 2020, § 567 ZPO, Rn 58). Zwar wird die Anschließung an ein Rechtsmittel nicht als eigenes Rechtsmittel, sondern nur als ein dem Rechtsmittelgegner eingeräumtes Recht, selbst Anträge zu stellen und damit den Umfang der Verhandlung und Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zu bestimmen, angesehen (KG, a.a.O.). Allein diese prozessuale Möglichkeit des Rechtsmittelgegners, das Rechtsmittelgericht mit seinen Einwendungen gegen die Ausgangsentscheidung zu befassen, führt zur Unzulässigkeit einer Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RpflG.
Der Rechtsbehelf des Antragstellers ist daher als Anschlussbeschwerde auszulegen, über dessen Abhilfe vom Rechtspfleger zusammen mit der Abhilfe der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners zu entscheiden ist. Im Falle der Nichtabhilfe wird das Beschwerdegericht anschließend über beide Rechtsbehelfe einheitlich entscheiden.
AGS 12/2020, S. 593 - 594