a) Pro Erstattungsfähigkeit
Für die Erstattungsfähigkeit der Kosten des sich selbst verteidigenden Rechtsanwalts spricht, dass § 464b Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO verweist. Nach dieser Bestimmung sind dem in eigener Sache tätigen Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Die Befürworter der Erstattungsfähigkeit berufen sich auf diese eindeutige gebührenrechtliche Verweisung und gehen deshalb davon aus, dass ein sich selbst vertretender Rechtsanwalt sowohl im Zivil- als auch im Strafprozess gebührenrechtlich als Bevollmächtigter zu behandeln ist.
b) Contra Erstattungsfähigkeit
Nach der herrschenden Gegenauffassung setzt die Anwendung von § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO voraus, dass es dem Rechtsanwalt überhaupt rechtlich gestattet ist, in eigener Sache aufzutreten. Während im Zivilprozess § 78 Abs. 4 ZPO dem Rechtsanwalt die Selbstvertretung erlaubt, ist im Straf- und Bußgeldverfahren der Status des Verteidigers als unabhängiges Organ der Rechtspflege mit der Stellung des Beschuldigten unvereinbar. Wenn das Strafprozessrecht somit die Selbstverteidigung des Rechtsanwalts ausschließt, kann er kostenrechtlich nicht wie ein Verteidiger behandelt werden. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO stellt eine eng auszulegende vorrangige Sonderregelung für den Fall dar, dass ein einzelner Rechtsanwalt rechtlich zulässig in eigener Sache als Partei des Zivilprozesses tätig geworden ist. Einem Rechtsanwalt werden daher für seine "Verteidigung" in eigener Sache keine Gebühren/Auslagen ersetzt, da Beschuldigten- und Verteidigerrolle prozessual miteinander unvereinbar sind. Die Regelung in § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO ist auf den Zivilprozess zugeschnitten und im Strafverfahren nicht anwendbar. Das gilt i.Ü. auch im Privatklageverfahren, wenn der Rechtsanwalt die Stellung eines Beschuldigten hat und sich selbst verteidigt. Als Privat- oder auch als Nebenkläger kann der Rechtsanwalt allerdings entsprechend § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO Erstattung verlangen.
c) Vergütung nach dem JVEG
Auch der sich selbst verteidigende Rechtsanwalt hat allerdings entsprechend § 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO Anspruch auf die Entschädigung für eine notwendige Zeitversäumnis nach den Vorschriften des JVEG, die für die Entschädigung von Zeugen gelten. Allerdings reicht es für die erforderliche Bezifferung und Substantiierung dieser Ansprüche nach dem JVEG nicht aus, einen Kostenfestsetzungsantrag mit den für die Verteidigung geltend gemachten RVG-Vergütungsansprüchen einzureichen. Für die Berücksichtigung von Ansprüchen nach dem JVEG sind konkrete Angaben zur Versäumung von Arbeitszeit bzw. zum Verdienstausfall oder zur Entschädigung für Zeitversäumnis erforderlich.
Autor: Dipl.-RPfleger Joachim Volpert, Willich
AGS 12/2021, S. 529 - 533