§ 2 Abs. 2 S. 2, S. 3 InsVV
Leitsatz
- Die Erhöhung der Mindestvergütung wegen einer hohen Zahl an Gläubigern kennt keine Gläubigerobergrenze.
- Die Erhöhung findet allerdings nur im Rahmen der Verfahren natürlicher Personen Anwendung.
- Bei juristischen Personen kommt statt der Erhöhung lediglich eine Berücksichtigung mittels Zuschlag in Betracht.
BGH, Beschl. v. 22.7.2021 – IX ZB 4/21
I. Sachverhalt
Über das Vermögen einer juristischen Person (GmbH & Co. KG) wurde im März 2017 zunächst das vorläufige Insolvenzverfahren, im Oktober 2018 dann das Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldeten 55.919 Gläubiger Forderungen zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter rechnete daraufhin seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter ab und beantragte dabei (das Verfahren war offensichtlich masselos) eine Erhöhung der Mindestvergütung wegen der immens hohen Gläubigerzahl (Anm.: 1.119.400 EUR). Das Gericht lehnte dies ab mit der Begründung, dass die Erhöhung nicht gerechtfertigt sei, da die Erhöhung der Mindestvergütung wegen hoher Gläubigerzahl nicht die vorläufige Verwaltung, sondern das spätere Verfahren betreffen. Das Insolvenzgericht hat den Vergütungsantrag also zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde hat der Antragsteller einen Gesamtabschlag von 50 % angenommen und seinen Vergütungsantrag i.H.v. 559.700 EUR zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 671.993 EUR weiterverfolgt. Das LG – Einzelrichter – hat die Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen Der BGH hob die Vorinstanz zwar auf – allerdings wegen eines formalen Aspektes (Zulassung der Rechtsbeschwerde durch Einzelrichter) – verwies zurück an das Beschwerdegericht, sah im Kontext der Entscheidung jedoch für die Erhöhung der Mindestvergütung bei juristischen Personen (bzw. bei nicht natürlichen Personen) gar keinen Raum, stattdessen lediglich das probate Mittel eines Zuschlages.
II. Differenzierung zwischen juristischer und natürlicher Person
Die bereits bisher "umstrittene" und in unterschiedlichen Praktiken umgesetzte Frage der Mindestvergütung im vorläufigen Verfahren erfährt durch die Differenzierung zwischen juristischer Person einerseits und natürlicher Person andererseits eine weitere Prüfungshürde. Der BGH sieht im Falle einer natürlichen Person eine generelle Anwendbarkeit der Erhöhungsbestimmungen des § 2 Abs. 2 InsVV als gegeben an. Nachdem in den Gründen der Entscheidung argumentiert wird, dass eine Erhöhung der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters wegen der Anzahl der Gläubiger nach § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 InsVV im Streitfall nicht in Betracht komme, weil "im Hinblick auf die Vergütung des Insolvenzverwalters in Insolvenzverfahren über das Vermögen juristischer Personen eine teleologische Reduktion geboten sei," ist ersichtlich, dass der BGH im umgekehrten Falle natürlicher Personen sowohl im vorläufigen Verfahren als auch im endgültigen Verfahren "kein Problem" für die Anwendbarkeit der Erhöhungstatbestände bei der Mindestvergütung sieht.
III. Zuschnitt der Erhöhungsregelungen wegen Anzahl der beteiligten Gläubiger bei der Mindestvergütung nur für natürliche Personen
Nach dem BGH diene die Anzahl der beteiligten Gläubiger nur als Korrektiv und solle gewährleisten, dass auch Insolvenzverwalter, die überwiegend mit Kleininsolvenzen befasst sind, eine auskömmliche Vergütung erzielen können (s. Begründung des Verordnungsgebers zur Neuregelung InsVV, hier zu § 2 Abs. 2 InsVV-E, abgedr. in ZIP 2004, 1927, 1930). Das Wesen der Mindestvergütung decke damit verschiedene Aspekte ab. Einerseits nämlich die Gewährleistung einer Mindestvergütung in masselosen Insolvenzverfahren an sich und damit die Honorierung des Verwalters in solchen Fällen (BGH, Beschl. v. 6.4.2017 – IX ZB 48/16, WM 2017, 825 Rn. 15 zu § 2 Abs. 2 S. 1 InsVV m.w.N.). Dabei ist jedoch klar, dass nicht in jedem Verfahren selbst eine auskömmliche Vergütung gewährleistet sein muss, sondern nur in allen Verfahren insgesamt, denn es sei ausreichend, wenn innerhalb der massearmen Verfahren ein wirtschaftlicher Ausgleich gewährleistet ist (vgl. Begründung des Verordnungsgebers, abgedr. in ZIP 2004, 1927, 1930; Wimmer, ZInsO 2004, 1006, 1010). Zum anderen werden durch die Mindestvergütungssätze auch die fiskalischen Interessen geschützt, soweit die Staatskasse für die Vergütung des Insolvenzverwalters aufzukommen hat. Dabei habe – so der BGH in der aktuellen Entscheidung – der Gesetzgeber sich aber in erster Linie bei Schaffung der Vorschriften am Verfahren natürlicher Personen orientiert. Der Verordnungsgeber habe folglich die Auswirkungen von extrem hohen Gläubigerzahlen in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person nicht berücksichtigt (unter Bezugnahme auf: vgl. FK-InsO/Lorenz, 9. Aufl., 2017, § 2 InsVV Rn 38; Lorenz/Klanke/Lorenz, InsVV, 3. Aufl., 2017, § 2 Rn 39; Heyrath, ZInsO 2004, 1132, 1133; a.A. Vill, ZInsO 2020, 974, 976). Zudem scheide eine Anwendung von § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 InsVV auf die Mindestvergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person bereits deshalb aus, weil die hierfür ausschlaggebende Zahl der Gläubiger – auch nur de...