§§ 25 Abs. 1 Nr. 3, 33 Abs. 1 und Abs. 8 RVG; § 48 Abs. 1 S. 1 GKG; § 3 ZPO
Leitsatz
- Der Streitwert für eine Klage auf Duldung der Wegnahme eines Stromzählers bemisst sich auf die Höhe der durch den beklagten Kunden an den Versorger zu zahlenden Abschläge für sechs Monate.
- Dieser Hauptsachestreitwert stellt regelmäßig auch den Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren in dem Vollstreckungsverfahren dar.
- Somit bestimmt sich auch der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren, in dem es um die Fortsetzung der beantragten Vollstreckung im Hinblick auf die Wegnahme eines Stromzählers durch den Gerichtsvollzieher geht, nach diesen Maßgaben.
BGH, Beschl. v. 11.10.2021 – I ZB 68/20
I. Sachverhalt
Die Gläubigerin, ein Energieversorgungsunternehmen, hatte gegen den Schuldner ein Versäumnisurteil erwirkt, in dem diesem aufgegeben wurde, einem mit einem Ausweis versehenen Mitarbeiter des Netzbetreibers Zutritt zur Stromabnahmestelle in der näher beschriebenen Verbrauchsstelle zu gewähren und die Sperrung der Abnahmestelle durch Wegnahme des Stromzählers mit einer bestimmten Nummer zu dulden. Dieser Zähler befindet sich in einem Mehrfamilienhaus, in dem der Schuldner eine Wohnung als Mieter bewohnt.
Die Gläubigerin hat den Gerichtsvollzieher mit der Durchsetzung der titulierten Verpflichtung beauftragt. Insbesondere hat sie darum gebeten, ihrem Beauftragten Zutritt zum Zähler zu verschaffen und für den Fall, dass der Zutritt nicht möglich ist, verschlossene Türen zu öffnen. Ein Vollstreckungstermin war ergebnislos verlaufen. Der Gerichtsvollzieher hatte der Gläubigerin mitgeteilt, nach Angaben des Schuldners befänden sich alle Zähler des Hauses in einem Kellerraum, zu dem er keinen Schlüssel habe. Der Gerichtsvollzieher hat die Zwangsvollstreckung eingestellt, weil der Schuldner weder Mitgewahrsam an diesem Raum noch Zutritt dazu habe.
Der hiergegen von der Gläubigerin eingelegten Erinnerung hat der Gerichtsvollzieher nicht abgeholfen. Das Vollstreckungsgericht, das AG Eberswalde, hat die Erinnerung zurückgewiesen. Die dagegen von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde ist vor dem LG Frankfurt (Oder) erfolglos geblieben. Mit ihrer vom LG Frankfurt (Oder) zugelassenen Rechtsbeschwerde hat die Gläubigerin ihr Begehren, den Gerichtsvollzieher zur Fortsetzung der beantragten Vollstreckung anzuweisen, vor dem BGH weiterverfolgt. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde auf Kosten der Gläubigerin u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, der Schuldner müsse zumindest Mitgewahrsam an dem Raum haben, in dem sich der herauszugebende Zähler befindet (Beschl. v. 17.6.2021 – I ZB 68/20, DGVZ 2021, 215 = NJW-RR 2021, 1146).
Nach Beendigung des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin beantragt, den Gegenstandswert für seine Tätigkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren festzusetzen.
II. Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes
1. Verfahrensrechtliches
Wenn sich die Anwaltsgebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder es an einem solchen Wert fehlt, setzt das Gericht des Rechtszuges gem. § 33 Abs. 1 RVG den Gegenstandswert auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest. Dieser Antrag ist gem. § 33 Abs. 2 S. 1 RVG erst dann zulässig, wenn die Vergütung fällig ist, was hier nach Beendigung des Rechtszuges vor dem BGH und dem Erlass der Kostenentscheidung durch den Beschl. des BGH v. 17.6.2021 gem. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG der Fall war. Der Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin gehörte als Rechtsanwalt gem. § 33 Abs. 2 S. 2 RVG zu den Antragsberechtigten. Ferner hat der BGH darauf hingewiesen, dass nach der jüngeren Entscheidung des Großsenats für Zivilsachen (AGS 2021, 471 [Hansens] = NJW 2021, 3191) auch beim BGH der Einzelrichter zu entscheiden habe.
Die übrigen Voraussetzungen für den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes, die der Einzelrichter des BGH hier nicht ausdrücklich erörtert hat, lagen vor. Vorliegend ist in Folge der Zurückweisung der Rechtsbeschwerde der Gläubigerin nach Nr. 1826 GKG KV die vom Streitwert unabhängige Festbetragsgebühr i.H.v. 120,00 EUR angefallen, sodass es für das Rechtsbeschwerdeverfahren an einem Streitwert fehlt, der auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren hätte maßgeblich sein können.
2. Streitwert einer Klage auf Duldung der Wegnahme eines Stromzählers
Nach den weiteren Ausführungen des BGH wird von der überwiegenden obergerichtlichen Rspr. in Anwendung des § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO davon ausgegangen, dass sich der Streitwert für eine Klage auf Duldung der Wegnahme eines Stromzählers nach der Höhe der durch den beklagten Kunden an den Versorger zu zahlende Abschläge für sechs Monate bestimmt. Hierzu hat der BGH auf die Entscheidung des OLG Köln (JurBüro 2019, 138) verwiesen, die allerdings den Streitwert für ein Verfahren der einstweiligen Verfügung betrifft.
3. Gegenstandswert für das Vollstreckungsverfahren
Nach Auffassung des BGH gilt dieser Hauptsachewert gem. § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG regelmäßig auch für die Bemessung des Gegenstandswertes für ...