§ 4 ZPO; § 43 GKG
Leitsatz
- Ob Nebenforderungen bei der Beschwer und/oder als Streitwert für die Gerichts- und Anwaltskosten herangezogen werden, bestimmt sich gem. § 4 ZPO, § 43 GKG.
- Welche Nebenforderungen darunterfallen, ist in den §§ 4 ZPO, 43 GKG ausdrücklich genannt.
- Werden Nebenforderungen ohne Hauptforderung geltend gemacht, erhöhen sie den Streitwert.
- Entfallen Zinsen teilweise auf eine Hauptforderung, teilweise jedoch nicht, so sind die Nebenforderungen zu splitten und teilweise, soweit sie unabhängig von der Hauptforderung sind, zu berücksichtigen.
- Das Gericht kann und ist zur Vermeidung von Nachteilen der Parteien gehalten, die entsprechenden Nebenforderungen zu berechnen und heraus- bzw. hineinzurechnen.
BGH, Beschl. v. 16.9.2021 – III ZR 298/20
I. Sachverhalt
Der Kläger verlangte von der Beklagten Schadenersatz. Er wirft ihr vor, sie habe in den Dieselmotor EA 189 eines von ihm am 29.5.2013 zum Preis von 32.430,00 EUR erworbenen Fahrzeugs (Audi Q3) eine verbotene Abschalteinrichtung eingebaut.
Das Fahrzeug verkaufte der Kläger für 14.200,00 EUR weiter. Zuletzt hatte er beantragt, die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises von 32.430,00 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe des Verkaufserlöses von 14.200,00 EUR, Zahlung von Zinsen i.H.v. 4 % aus 32.430,00 EUR seit dem 29.5.2013 bis Rechtshängigkeit und Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu verurteilen.
Das Berufungsgericht hat die Klageabweisung durch das LG bestätigt und den Streitwert auf 18.230,00 EUR festgesetzt (32.430,00 EUR Kaufpreis abzgl. des Erlöses aus dem Weiterverkauf von 14.200,00 EUR).
Mit der Revision, deren Zulassung der Kläger begehrt, möchte er sein Begehren in vollem Umfang weiterverfolgen.
II. Zinsen wirken hier werterhöhend
Die mit der beabsichtigten Revision geltend gemachte Beschwer sowie der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde betragen 21.553,97 EUR (18.230,00 EUR Hauptforderung plus 3.323,97 EUR Zinsen).
Bei der Bemessung des Werts des Antrags auf Rückzahlung des Kaufpreises (32.430,00 EUR) ist hierauf der Erlös aus der Weiterveräußerung des Fahrzeugs (14.200,00 EUR) anzurechnen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2021 – VII ZR 216/20, juris Rn 4). Streitwert und Beschwer betragen daher insoweit 18.230,00 EUR.
Die vom Kläger erhobenen Zinsforderungen wirken gem. § 4 ZPO insoweit streiterhöhend, als sie nicht neben der Hauptforderung geltend gemacht werden (vgl. Senat, Beschl. v. 4.9.2013 – III ZR 191/12, juris Rn 2, AGS 2013, 467 = RVGreport 2013, 486), also i.H.v. 4 % aus 14.200,00 EUR seit dem 29.5.2013 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit am 4.4.2019 (vgl. LGU 5). Dies ergibt ein Betrag i.H.v. 3.323,97 EUR.
III. Bedeutung für die Praxis
Berechnung des Beschwerde- und des Gegenstandswertes
Sind außer dem Hauptanspruch auch Nebenforderungen betroffen, regelt § 4 ZPO deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung beim Beschwerdewert und § 43 GKG beim Streitwert für die Gerichts- und Anwaltskosten.
Üblicherweise handelt es sich um herauszugebende Nutzungen, Zinsen oder Kosten der Rechtsverfolgung.
Einfach ist die Berechnung des Beschwerde-/Streitwerts, wenn eine Hauptforderung und z.B. Zinsen hierauf geltend gemacht werden. Wäre in dem oben genannten Fall eine Weiterveräußerung unterblieben, hätte das Gericht den Beschwerde- und den Streitwert auf 32.430,00 EUR (nur die Hauptforderung) festgesetzt.
Ebenfalls einfach zu berechnen wäre der Streitwert, wenn die Hauptforderung vollständig durch Weiterveräußerung und vorgerichtlicher Zahlung der restlichen Hauptforderung durch die Gegenseite erledigt gewesen wäre. Wären dann "nur" noch die Zinsen eingeklagt worden, wären diese vollständig als "Hauptforderung" zu bewerten.
In dem nun vom BGH entschiedenen Fall erfolgte jedoch lediglich eine Teilerledigung der Hauptforderung. Die eigentliche Hauptforderung von 32.430,00 EUR wurde teilweise durch den Weiterverkauf des Pkw um den Kaufpreis von 14.200,00 EUR reduziert. Da jedoch die Zinsen weiterhin von dem vollen Betrag von 32.430,00 EUR gefordert wurden, sind die anteiligen Zinsen, die auf den erledigten Teil entfallen, keine Nebenforderung, sondern werden zu Hauptforderung.
Der BGH kann rechnen: In der hier besprochenen Entscheidung zeigt der BGH, dass er rechnen kann. Er "pflückt" zutreffend die Zinsforderung auseinander. Während der Kläger natürlich 4 % Zinsen aus der gesamten (früheren) Hauptforderung von 32.430,00 EUR geltend macht, sind beim Beschwerde- und beim Streitwert für die Anwalts- und Gerichtskosten nur die Zinsen zu berücksichtigen, die mangels Hauptforderung selbst zur Hauptforderung geworden sind. Das sind, wie der BGH richtig berechnet, die 4 % Zinsen aus dem "erledigten" Kaufpreisteil von 14.200,00 EUR. Die entsprechenden Zinsen, die der BGH mit 3.323,97 EUR ausgerechnet hat, erhöhen den Beschwerde- und den Streitwert.
Leider konnte oder wollte der BGH in seiner früheren Entscheidung v. 19.12.2018 (IV ZB 10/18) diese konkrete Berechnung des Einzelfalles nicht vornehmen und hat pauschal die gesamten Nebenforderungen als "Hauptsache" angesehen und zusätzlich bewertet. Die damaligen ...