§§ 3 ff., 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO
Leitsatz
Zur Bestimmung von Streitwert und Rechtsmittelbeschwer (hier: Beseitigung eines Carports auf dem Nachbargrundstück).
BGH, Beschl. v. 24.8.2021 – VI ZR 1265/20
I. Sachverhalt
Der Beklagte hatte an der Grundstücksgrenze auf seinem Grundstück einen Carport errichtet. Hierfür hatte das zuständige Landratsamt eine Baugenehmigung erteilt, über deren Rechtmäßigkeit die Parteien vor dem VGH streiten. An dem Carport hatte der Beklagte ein Schild mit dem Hinweis "Achtung! Videoüberwachung" angebracht. Im Verlaufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens teilte der Beklagte dem VG Regensburg mit, der Kläger parke ständig vor seiner – des Beklagten – Grundstücksausfahrt.
Mit der Behauptung, der vom Beklagten errichtete Carport schränke die Ausfahrt unzumutbar ein und der Beklagte habe am Carport eine Videokamera angebracht, die ohne rechtfertigenden Grund und ohne Zustimmung des Klägers auch sein Grundstück überwache und aufzeichne, hat der Kläger vor dem LG Regensburg Klage gegen den Beklagen mit folgenden Anträgen erhoben. Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1. |
es zu unterlassen, das Grundstück des Klägers per Video zu überwachen, |
2. |
an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld von nicht weniger als 2.000,00 EUR zu zahlen, |
3. |
es zu unterlassen, im Hinblick auf den Kläger zu behaupten, dass dieser "wiederholt und permanent vor der Ausfahrt des Carports rechtswidrig geparkt" habe, |
4. |
an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 490,99 EUR zu zahlen, |
5. |
den auf dem Grundstück des Beklagten errichteten Carport zu beseitigen, |
6. |
es zu unterlassen, den Bereich, in welchem der Carport errichtet war, als Stellplatz zu nutzen und in diesem Bereich jeglichen Zu- und Abfahrtsverkehr zur Nutzung als Stellplätze zu unterlassen. |
Das LG Regensburg hat die Klage abgewiesen und den Streitwert im Einverständnis mit den Parteien auf insgesamt 21.000,00 EUR festgesetzt. Darauf entfallen auf den Klageantrag zu 1. 5.000,00 EUR, zu 2. 2.000,00 EUR, zu 3. 4.000,00 EUR, zu 5. 8.000,00 EUR und zu 6. 2.000,00 EUR. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung hat das OLG Nürnberg zurückgewiesen und den Streitwert für das Berufungsverfahren ebenfalls auf 21.000,00 EUR festgesetzt. Hieraufhin hat der Kläger beim BGH Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht, mit der er die Zulassung der Revision erreichen will, um sein Klagebegehren weiter zu verfolgen.
Der BGH hat entschieden, dass der Wert, der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 EUR nicht übersteigt.
II. Wert der Beschwer
Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass dieses Interesse nach den sich aus den §§ 3 ff. ZPO ergebenden allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln sei. Dabei habe das Revisionsgericht über die Höhe der Beschwer selbst zu befinden, ohne dass es an eine Festsetzung durch das Berufungsgericht gebunden wäre (BGH VersR 2021, 668; BGH NJW-RR 2013, 1401). Für die Bewertung sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht maßgeblich. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde darzulegen und glaubhaft zu machen hat, dass der Wert der Beschwer den erforderlichen Betrag von 20.000,00 EUR übersteigt (BGH, a.a.O.).
In Anwendung dieser Grundsätze ist der BGH zu dem Ergebnis gelangt, dass der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer hier 20.000,00 EUR nicht überstiegen hat.
1. Bewertung der Klageanträge 1. bis 4. und 6.
Durch die Abweisung der Klageanträge 1. bis 4. und 6. ist der Kläger nach Auffassung des BGH in Höhe eines Betrages von insgesamt 13.000,00 EUR beschwert. Dabei hat der BGH den Wert der Beschwer in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers und der Beurteilung der Vorinstanzen für den Klageantrag zu 1. auf 5.000,00 EUR, zu 2. auf 2.000,00 EUR, zu 3. auf 4.000,00 EUR und zu 6. auf 2.000,00 EUR geschätzt. Demgegenüber bleibe der auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 490,99 EUR gerichtete Klageantrag zu 4. gem. § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO als Nebenforderung bei der Wertermittlung außer Betracht.
2. Klageantrag zu 5.
Durch die Abweisung des Klageantrags zu 5. ist der Kläger nach Auffassung des BGH i.H.v. nicht mehr als 5.000,00 EUR beschwert. Dieser Antrag betraf die Beseitigung des auf dem Grundstück des Beklagten errichteten Carports, den die Vorinstanzen mit 8.000,00 EUR bewertet hat.
Dies hat der BGH wie folgt begründet: Wenn der Grundstückseigentümer – wie hier – die Beseitigung einer Störung oder Einwirkung auf sein Grundstück verlange, bemesse sich der Wert der Beschwer grds. nach dem Wertverlust, den das Grundstück durch die Störung oder Einwirkung erleide (BGH NZM 2019, 349; BGH Grundeigentum 2015, 912). Etwas anderes gelte ausnahmsweise nur dann, wenn sich die Störung nach Art bzw. Umfang nicht in einer Wertminderung des Grundstücks niederschlag...