§§ 12a Abs. 1 S. 1, 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG; §§ 91, 103 ff., 126 ZPO
Leitsatz
- Im Kostenfestsetzungsverfahren wird nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und Maßgabe des Kostenrechts entschieden.
- Die Kostengrundentscheidung trifft keine Aussage über die Erstattungsfähigkeit von Verfahrenskosten.
- Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren ist der Umfang der erstattungsfähigen Kosten über § 91 ZPO hinaus durch § 12a ArbGG eingeschränkt. Danach sind die Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten in der I. Instanz trotz positiver Kostengrundentscheidung nicht ersetzbar.
LAG Rostock, Beschl. v. 23.12.2021 – 2 Ta 37/21
I. Sachverhalt
Der Kläger hatte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Arbeitnehmers des Beklagten Klage gegen den Beklagten auf Auszahlung an ihn abgetretener, pfändbarer Lohnanteile erhoben. Nach Erfüllung der Klageforderung hat der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. In dem hieraufhin vom ArbG Schwerin ergangenen Beschl. v. 23.3.2021 heißt es im Tenor:
Zitat
I. Der Rechtsstreit ist erledigt.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Hieraufhin hat der Kläger die Festsetzung von Anwaltskosten i.H.v. 1.017,45 EUR beantragt. Der Rechtspfleger des Arbeitsgerichts hat diesen Antrag unter Hinweis auf § 12a ArbGG abgelehnt. Mit seiner hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Kläger geltend gemacht, aufgrund der rechtskräftig gewordenen Kostengrundentscheidung in dem Beschluss des ArbG Schwerin vom 23.3.2021 ergebe sich sein Anspruch auf Festsetzung der ihm entstandenen Prozesskosten gegen den Beklagten.
Das LAG Rostock hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
II. Voraussetzungen für die Kostenfestsetzung
1. Kostengrundentscheidung
Nach dem über § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG entsprechend geltenden § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten nur aufgrund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Vorliegend hatte das ArbG Schwerin in seinem Beschl. v. 23.3.2021 die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten auferlegt. Damit lag eine Voraussetzung für die Kostenfestsetzung gegen den Beklagten vor.
2. Verhältnis Kostengrundentscheidung zur Kostenfestsetzung
Das LAG Rostock hat darauf hingewiesen, dass diese Kostengrundentscheidung keine Aussage hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten auf Seiten des Klägers getroffen habe. Auch wenn mit dieser Entscheidung die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt worden seien, habe das Arbeitsgericht keinerlei Aussage zum Kostenfestsetzungsverfahren getroffen. In dem Kostenfestsetzungsverfahren werde nämlich nach einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung über die Erstattungsfähigkeit der Verfahrenskosten nach prozessualen Maßstäben und nach Maßgabe des Kostenrechts entschieden (BAG RVGreport 2010, 28 [Hansens] = NZA 2009, 1300 für die Erstattungsfähigkeit von Detektivkosten). Somit werde im Kostenfestsetzungsverfahren ausschließlich geprüft, ob ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch nach den §§ 91 ff. ZPO, § 12a ArbGG bestehe. Danach können lediglich erstattungsfähige Kosten festgesetzt werden. Zu dieser Frage äußere sich die Kostengrundentscheidung hingegen nicht.
3. Einschränkung der Kostenerstattung
a) Grundsatz
Aus den über § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG entsprechend anwendbaren Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO ergibt sich grds. der Umfang der durch die unterliegende Partei zu erstattenden Kosten. Das LAG Rostock hat darauf hingewiesen, dass gem. § 91 Abs. 2 ZPO hierzu grds. auch die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei gehören. Diese Bestimmung definiere, obwohl sie ihrem Wortlaut nach nur die obsiegende Partei betreffe, alle erstattungsfähigen Kosten, auch dann, wenn die Kosten ohne Obsiegen einer Partei – wie etwa im hier vorliegenden Fall – nach § 91a ZPO zu verteilen sei. Dies folgert das LAG daraus, dass in den gesetzlichen Regeln über die Kostenverteilung immer nur von den "Kosten" die Rede sei, ohne dass sie dort besonders und anders definiert würden.
b) Ausnahme
Von der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei macht nach den weiteren Ausführungen des LAG Rostock die Vorschrift des § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift besteht im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten. § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG sei insoweit eine "andere Bestimmung" i.S.v. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG. Diese Vorschrift diene dem Zweck, beide Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren durch Freistellung von Kosten der Prozessbevollmächtigten in der I. Instanz vor überhöhten Kostenrisiken zu bewahren. Sie finde auch dann Anwendung, wenn der Prozess ohne Obsiegen einer Partei ende ...