1. Auslegung der Kostenregelung
Das OLG Brandenburg hat die zwischen den Parteien und der Frau F. getroffene Kostenregelung zutreffend ausgelegt. Die Klägerin hatte wohl in beiden in Ziffer 1 des Vergleichs aufgeführten Rechtsstreiten ihre Klage zurückgenommen. Deshalb macht die Regelung Sinn, dass sich der Beklagte und seine Streithelferin Frau F. verpflichtet haben, in beiden Verfahren keinen Kostenantrag zu stellen. Anstelle der in § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO geregelten Kostenregelung, nach der der Kläger nach Klagerücknahme verpflichtet ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, haben die Parteien in Ziffer 2 des Vergleichs eine hiervon abweichende Kostenvereinbarung getroffen. Danach haben der Beklagte und Frau F. die gesamten Verfahrenskosten (beider Rechtsstreite) und die Kosten dieses Vergleichs als Gesamtschuldner zu tragen.
Der Vergleichswortlaut ist somit eindeutig. Er regelt klar, wer die Kosten zu tragen hat und welche Kostenpositionen von der Kostenregelung erfasst sind. Da der Vergleichswortlaut ausdrücklich bestimmt, dass der Beklagte und Frau F. als Gesamtschuldner auch die Kosten des Vergleichs zu tragen haben, haben die Vergleichsparteien somit eine andere Regelung i.S.v. § 98 S. 1 ZPO getroffen. Zu Recht hat das OLG Brandenburg auch darauf hingewiesen, dass sich für die Auslegung des Beklagten, die Kostenregelung erfasse lediglich seine eigenen Kosten und die der Streithelferin, weder in dem Vergleichswortlaut noch in dem Inhalt der Vergleichsregelung Anhaltspunkte finden würden.
Damit war die Regelung in dem durch Beschl. v. 4.10.2021 festgestellten Prozessvergleich insoweit völlig eindeutig. Eine solche Eindeutigkeit, wer die Kosten zu tragen hat, wie die Erstattungspflichtigen haften sollen (hier: als Gesamtschuldner) und dass auch die Kosten dieses Vergleichs miterfasst sind, findet man in der Praxis eher selten.
2. Abgeltungsklausel
a) Materiell-rechtlicher Einwand
Im Ergebnis zu Recht hat das OLG Brandenburg auch entschieden, dass die in Ziffer 3 des Vergleichs vereinbarte Abgeltungsklausel keinen Einfluss auf den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin hat. Es handelt sich nämlich um eine materiell-rechtliche Einwendung, die grds. im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen ist (BVerwG AGS 2015, 588 = zfs 2015, 584 m. Anm. Hansens = RVGreport 2015, 388 [Hansens]). Allenfalls kann ein solcher materiell-rechtlicher Einwand aus verfahrensökonomischen Gründen ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, wenn er keine Tatsachenaufklärung erfordert und er sich mit den im Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lässt. Ein solcher Ausnahmefall hat hier nicht vorgelegen. Deshalb sind materiell-rechtliche Einwendungen vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (BGH AGS 2014, 296 = RVGreport 2014, 318 [Hansens]: Aufrechnung).
b) Geltungsbereich der Abgeltungsklausel
Folglich hätte das OLG Brandenburg an sich zum Abgeltungsbereich der Abgeltungsklausel keine Feststellungen treffen müssen oder gar dürfen. Die vom OLG getroffene Auslegung ist allerdings sachgerecht. Es wäre widersinnig, dass in Ziffer 2 des Vergleichs eine Kostenregelung getroffen wird, die einer Partei – hier der Klägerin – einen Kostenerstattungsanspruch zuspricht, wenn in Ziffer 3 des Vergleichs gleichzeitig geregelt worden wäre, dass sämtliche Ansprüche zwischen den Vergleichsbeteiligten, gleich aus welchem Rechtsgrund, abgegolten seien. Dann ergebe sich nämlich für die Kostenregelung kein praktischer Anwendungsbereich.
3. Verfahrensweise in der Praxis
Um Streitigkeiten dieser Art von vornherein zu vermeiden, sollte der Formulierung einer Abgeltungsklausel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Abgeltungsklausel sollte nicht soweit gefasst werden, dass ihrem Wortlaut nach auch der Kostenerstattungsanspruch der obsiegenden Partei hierunter fallen könnte. Am sichersten ist es deshalb, den Kostenerstattungsanspruch ausdrücklich aus der Abgeltungsklausel auszunehmen, etwa durch folgende Regelung:
Zitat
"Nicht abgegolten ist der sich aus Ziffer 2 dieses Vergleichs ergebende Anspruch auf Erstattung der Kosten der dort erwähnten Rechtsstreite und dieses Vergleichs."
Wenn die Parteien eine Abgeltungsklausel treffen, sollte auch geprüft werden, ob dem Mandanten nicht bereits ein Erstattungsanspruch zusteht. Ein solcher Fall könnte vorliegen, wenn der in der ersten Instanz obsiegende Kläger aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil bereits vollstreckt hat und ihm insoweit Vollstreckungskosten entstanden sind. Diese sind nämlich grds. in der Höhe erstattungsfähig, in der sie entstanden wären, wenn der Kläger die Zwangsvollstreckung auf den Vergleichsbetrag beschränkt hätte. Ferner kann dem erstinstanzlich verurteilten Beklagten ein Rückzahlungsanspruch oder ein Rückfestsetzungsanspruch gegen den Kläger zustehen, wenn er an den Kläger auf den erstinstanzlich ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss, der nach dem Vergleich (teilweise) gegenstandslos g...