1. Ich gehe davon aus, mehr als 20 Jahre nach Einführung der Aktenversendungspauschale in das KV des GKG die damit zusammenhängenden Frage, über deren Beantwortung früher gestritten worden ist, heute keine Probleme machen und geklärt sind. Ansonsten mag man dazu in einem einschlägigen RVG- oder GKG-Kommentar nachlesen.
2. I.Ü.: Man schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und fragt sich, zumindest ich, ob das eigentlich ernst gemeint ist, eben mehr als 20 Jahre nach Einführung der Aktenversendungspauschlage Nr. 9003 GKG KV dem Verteidiger bzw. seinem Mandanten in den Fällen der angeordneten Kostenerstattung die Erstattung der Aktenversendungspauschale zu verweigern mit der Begründung: Servicepauschale. Denn schon seit langem ist in der Rspr. die früher umstrittene Frage, ob der Verteidiger die ihm entstandenen Kosten im Innenverhältnis von seinem Mandanten ersetzt verlangen und ob die Kosten dem Mandanten im Fall des Freispruchs zu erstatten sind, geklärt (zu allem auch Volpert, RVGreport 2015, 442, 447 f.). Insoweit gilt: Die Pauschale nach Nr. 9003 GKG KV gehört nicht zu den allgemeinen Geschäftskosten des Verteidigers mit der Folge, dass sie durch die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV abgegolten wäre (BGH NJW 2011, 3041 = AGS 2011, 262 = RVGreport 2011, 215 = DAR 2011, 356 = VRR 2011, 279 m.w.N.; KG AGS 2009, 198 = RVGreport 2009, 154 = JurBüro 2009, 93; OLG Düsseldorf StV 2003, 177; LG Dresden RVGreport 2010, 454; LG Potsdam NStZ-RR 2013, 31; LG Zweibrücken RVGreport 2012, 218; Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 286 ff. und Rn, 1124 ff., jew. m.w.N.). Das bedeutet: Der Wahlverteidiger kann die ihm insoweit entstandenen Kosten im Innenverhältnis von seinem Mandanten ersetzt verlangen (BVerfG NJW 1995, 3177; BGH, a.a.O.; LG Potsdam NStZ-RR 2013, 31; LG Zweibrücken RVGreport 2012, 218; vgl. a. noch AG Hamburg-St.Georg AGS 2014, 52 = RVGreport 2014, 433 [Ersatzpflicht des Schädigers]). Ist der Mandant rechtsschutzversichert, muss die Rechtsschutzversicherung ihn von diesen Kosten freihalten (BGH NJW 2011, 3041 = AGS 2011, 262 = RVGreport 2011, 215 = DAR 2011, 356 = VRR 2011, 279 m.w.N.).
Vorbem. 7 Abs. 1 VV ist auf die Aktenversendungspauschale nicht anwendbar (OLG Düsseldorf AGS 2002, 61). Wird der Mandant freigesprochen, kann er Erstattung aus der Staatskasse verlangen (u.a. LG Ravensburg AnwBl 1995, 153; AG Leipzig NStZ-RR 2000, 319; SG Fulda RVGreport 2016, 386; vgl. aber auch AG Lemgo RVGreport 2014, 238; VG Regensburg RVGreport 2015, 198). Der Pflichtverteidiger kann die von ihm gezahlte Aktenversendungspauschale gem. § 46 RVG als Auslagen ersetzt verlangen (s.a. AG Köln StraFo 2013, 526; AGS 2014, 103; AG Geesthacht AnwBl 1996, 476; AG Leipzig NStZ-RR 2000, 319). Die insoweit teilweise vertretene a.A. ist durch die Entscheidung des BGH v. 6.4.2011 (IV ZR 232/08, NJW 2011, 3041 = AGS 2011, 262 = RVGreport 2011, 215 = DAR 2011, 356 = VRR 2011, 279 m.w.N.) überholt.
Ich meine, das sollte heute auch zum Allgemeinwissen eines Amtsrichters gehören und man, wozu allerdings auch die Verwaltungsbehörden zählen, sollte an der Stelle nicht wieder ein "Fass aufmachen", das durch die obergerichtliche Rspr. seit längerem geschlossen ist. Denn das führt nur zu an sich unnötigen Rechtsmitteln, die erhebliche Zeitaufwand – und Zeit hat die Justiz ja angeblich nicht – und auch Kosten verursachen, die erheblich über dem Betrag liegen, um den gestritten wird, nämlich 12,00 EUR.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 12/2022, S. 557 - 559