§§ 52 Abs. 1, 60 GKG; § 32 RVG
Leitsatz
- Angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit von Gefangenen ist der Streitwert in Strafvollzugssachen in der Regel niedrig festzusetzen.
- Bei der Anfechtung eines Vollzugsplans erscheint die Festsetzung eines Streitwerts i.H.v. 1.500,00 EUR angemessen.
KG, Beschl. v. 22.2.2022 – 2 Ws 101/21 Vollz
I. Sachverhalt
Der Verurteilte verbüßt derzeit eine Gesamtfreiheitsstrafe. Als Endstrafzeitpunkt ist der 6.8.2022 notiert. Anschließend ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vornotiert.
Mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung beantragte der Verurteilte, eine Vollzugsplanfortschreibung aufzuheben, soweit ihm darin Lockerungen versagt wurden. Zugleich stellte er einen Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwältin B. als Verteidigerin, dem das LG stattgegeben hat. Den Hauptsacheantrag des Verurteilten hat die Strafvollstreckungskammer als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen hat das KG diese Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Die Strafvollstreckungskammer des LG hat dann dieses Verfahren – welches führt – durch Beschluss mit einem gleichfalls bei ihm anhängigen Verfahren verbunden. In jenem Verfahren begehrte der Gefangene die Aufhebung einer (anderen) Vollzugsplanfortschreibung, soweit ihm damit ebenfalls jegliche Lockerung und jedwede Ausführung wegen Fluchtgefahr versagt worden waren. Die Strafvollstreckungskammer hat sodann beide Verfahren in der Hauptsache zugunsten des Gefangenen entschieden. Die Kosten der verbundenen Verfahren – einschließlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – hat das LG der Landeskasse auferlegt. Den Streitwert hat die Strafvollstreckungskammer für jedes Verfahren auf je 200,00 EUR, insgesamt mithin auf 400,00 EUR, festgesetzt.
Gegen diese Streitwertfestsetzung richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten, welche eine Festsetzung des Streitwertes auf insgesamt 8.000,00 EUR erstrebt. Die Strafvollstreckungskammer hat der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Streitwert in Abänderung ihres Beschlusses auf insgesamt 1.500,00 EUR festgesetzt.
II. Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde
Das Rechtsmittel sei – so das KG – als "isolierte" Streitwertbeschwerde gem. § 68 Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 8, 63 Abs. 2 GKG statthaft (vgl. KG NStE Nr. 2 zu § 48a GKG; Beschl. v. 12.9.2008 – 2 Ws 455/08 Vollz; v. 14.2.2014 – 2 Ws 27/14 Vollz; OLG Hamm NStZ 1989, 495; Beschl. v. 18.5.2004 – 1 Vollz (Ws) 75/04) und rechtzeitig erhoben (§§ 68 Abs. 1 S. 3 Hs. 1, 63 Abs. 3 S. 2 GKG). Die Verfahrensbevollmächtigte sei aus eigenem Recht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt, da sie durch die Streitwertfestsetzung beschwert sei (vgl. KG, a.a.O.).
Das Rechtsmittel erreiche offensichtlich den nach § 68 Abs. 1 S. 1 GKG erforderlichen Beschwerdewert von 200,01 EUR. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, obwohl sich der Wert der Beschwer nicht aus dem Unterschied zwischen dem angefochtenen und dem mit der Beschwerde erstrebten Streitwert, sondern aus dem Unterschiedsbetrag der Gesamtvergütung, die sich jeweils nach diesen beiden Streitwerten errechnet, ergibt (vgl. KG, Beschl. v. 12.9.2008 – 2 Ws 455/08 Vollz). Bei einem Streitwert von 8.000,00 EUR fiele alleine eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, § 13 Abs. 1 RVG i.H.v. 652,60 EUR an (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., 2021, Anhang II: 5. Rechtsanwaltsgebühren nach § 13 Abs. 1 RVG). Schon die Differenz zwischen dieser Gebühr und der sich nach dem ursprünglich festgesetzten Streitwert von 400,00 EUR errechnenden Verfahrensgebühr von 63,70 EUR übersteige mithin den Beschwerdewert um ein Vielfaches.
III. Festsetzung des Streitwertes
Die Beschwerde sei jedoch – soweit ihr nicht bereits durch das LG abgeholfen wurde – unbegründet.
Der Streitwert sei gem. § 52 Abs. 1 i.V.m. mit § 60 GKG nach der sich aus dem Antrag des Gefangenen für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei seien die Tragweite der Entscheidung und die Auswirkungen eines Erfolges des Antrags für den Gefangenen zu berücksichtigen (vgl. KG NStZ-RR 2002, 62). Der in § 52 Abs. 2 GKG genannte Betrag von 5.000,00 EUR habe hier außer Betracht zu bleiben; denn er sei kein Ausgangswert, an den sich die Festsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG anzulehnen hätte, sondern als subsidiärer Ausnahmewert nur dann einschlägig, wenn der Sach- und Streitstand – anders als hier – keine genügenden Anhaltspunkte biete, um den Streitwert nach der Grundregel des § 52 Abs. 1 GKG zu bestimmen (vgl. KG NStZ-RR 2002, 62; NStE Nr. 2 zu § 48a GKG; Beschl. v. 12.9.2008 – 2 Ws 455/08 Vollz; OLG Hamm NStZ 1989, 495; Beschl. v. 18.5.2004 – 1 Vollz (Ws) 75/04).
Angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der meisten Gefangenen sei der Streitwert in Strafvollzugssachen eher niedrig festzusetzen, da die Bemessung des Streitwerts aus rechtsstaatlichen Gründen nicht dazu führen dürfe, dass die Anrufung des Gerichts für den...