Um die Vorgehensweise der Prüfung nachvollziehen zu können, soll nachfolgendes Beispiel als Einstieg dienen.

1. Einführungsbeispiel

 

Beispiel

Rechtsanwalt R wurde vom Mandanten M beauftragt, einen Mahnbescheid i.H.v. 15.000,00 EUR zu beantragen. Bevor jedoch der Mahnbescheid beantragt werden konnte, zahlt der Gegner 5.000,00 EUR an M. Wegen des Restbetrages wird das Mahnverfahren eingeleitet.

Durch die Beauftragung des Rechtsanwalts im Mahnverfahren entsteht die Verfahrensgebühr Nr. 3305 VV. Der Gegenstandswert beträgt 10.000,00 EUR, da der Antragsgegner bereits 5.000,00 EUR gezahlt hat. Aufgrund der Tatsache, dass die Zahlung der 5.000,00 EUR vor Beantragung des Mahnbescheides geschehen ist, entsteht zusätzlich die ermäßigte Verfahrensgebühr Nr. 3306 VV für die vorherige Erledigung einer Teilsumme i.H.v. 5.000,00 EUR.

Es entstünden somit folgende Gebührenzeilen:

 
1,0-Verfahrengebühr, Nr. 3305 VV 614,00 EUR
(Wert: 10.000,00 EUR)  
0,5-Verfahrengebühr, Nr. 3306 VV 167,00 EUR
(Wert: 5.000,00 EUR)  
Summe 1 781,00 EUR

Da nach dem Gesetzeslaut des § 15 Abs. 3 RVG für Teile des Gegenstandes (s.o. 10.000,00 EUR) und für die Erledigung (s.o. 5.000,00 EUR) die verschiedenen Gebührensätze addiert nicht höher sein dürfen als die Gesamtheit der Gebühren nach dem höchsten Gebührensatz, ergibt sich nachfolgende Prüfung:

 
gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als 718,00 EUR
1,0 aus 15.000,00 EUR (= Summe 2)

Die Prüfung hat in diesem Beispiel ergeben, dass Summe 2 sichtlich geringer ist als Summe 1, somit ist die günstigere Summe maßgebend zur Rechnungsstellung.

Es kann also bereits festgehalten werden, dass der Mandant schlussendlich aufgrund § 15 Abs. 3 RVG von einer Reduzierung der Anwaltsrechnung profitiert.

2. Erkenntnisverfahren und nicht anhängige Ansprüche

Im streitigen Verfahren findet die Prüfung nach § 15 Abs. 3 RVG Anwendung, sobald die Verfahrensgebühren Nrn. 3100 und 3101 VV einschlägig sind (vgl. Nr. 3101 Abs. 1 VV). Ebenso, wenn im Rahmen eines Vergleichs doppelte Einigungsgebühren auftreten, indem nicht anhängige Ansprüche während des Verfahrens geltend gemacht werden. Dies hat Auswirkungen auf den Gegenstandswert der ermäßigten Verfahrensgebühr Nr. 3101 VV und lässt zudem die Einigungsgebühr Nr. 1000 VV entstehen. Durch das Auftreten von Doppelgebühren ist die Anwendung der Prüfung unerlässlich.

Im untenstehenden Beispiel sollen die soeben genannten Gebührenarten und die damit verbundene Thematik der § 15 Abs. 3 RVG-Prüfung verdeutlicht werden.

 

Beispiel

Es gibt einen Klagauftrag i.H.v. 20.000,00 EUR. Noch vor Klageinreichung werden 5.000,00 EUR gezahlt. Wegen des Restes wird die Klage eingereicht. Nach streitiger Verhandlung im Termin wird mit der Beklagtenseite ein Vergleich geschlossen. Dabei wird ein nicht anhängiger Betrag von 6.000,00 EUR mitverglichen. Der Beklagte verpflichtet sich, zur Abgeltung der Ansprüche, an den Kläger 15.000,00 EUR zu zahlen.

 
1,3-Verfahrensgebühr, 933,40 EUR  
Nr. 3100 VV    
(Wert: 15.000,00 EUR)    
0,8-Verfahrensgebühr, 532,80 EUR  
Nr. 3101 VV    
(Wert: 11.000,00 EUR)    
  1.466,20 EUR  
gem. § 15 Abs. 3 RVG   1.241,50 EUR
nicht mehr als    
1,3 aus 26.000,00 EUR    
1,2-Terminsgebühr,   986,40 EUR
Nr. 3104 VV    
(Wert: 21.000,00 EUR)    
1,0-Einigungebühr, 718,00 EUR  
Nr. 1003 VV    
(Wert: 15.000,00 EUR)    
1,5-Einigungsgebühr, 585,00 EUR  
Nr. 1000 VV    
(Wert: 6.000,00 EUR)    
  1.303,00 EUR  
gem. § 15 Abs. 3 RVG   1.233,00 EUR
nicht mehr als    
1,5 aus 21.000,00 EUR    
Gesamt   3.460,90 EUR

In manchen Fallkonstellationen kann es ebenso zu doppelten Terminsgebühren kommen, die folglich eine § 15 Abs. 3 RVG Prüfung auslösen. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn über einen Teil der Forderung eine 0,5-Terminsgebühr aufgrund einer Säumnis entsteht und über den Rest im Termin streitig verhandelt wird. Folglich entstünde neben der 0,5-Versäumnisgebühr eine weitere 1,2-Terminsgebühr.[6] Hier wäre die Prüfung nach § 15 Abs. 3 RVG anzuwenden.[7]

Auch denkbar ist eine außergerichtliche Einigung vor dem ersten Gerichtstermin, sodass eine 1,2-Terminsgebühr für das Einigungsgespräch und eine 0,5-Terminsgebühr für eine anschließende Säumnis im Termin abgerechnet wird.

[6] Vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., § 15 Rn 221.
[7] Gerold/Schmidt, RVG, a.a.O., § 15 Rn 90.

3. Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV und § 15 Abs. 3 RVG

Ist bereits ein außergerichtliches Verfahren zu derselben Angelegenheit vorausgegangen und entsteht im gerichtlichen Verfahren eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV als auch eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 VV, so stellt sich zunächst die Frage, ob zuerst die Anrechnung der Geschäftsgebühr stattfindet gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV oder die Prüfung nach § 15 Abs. 3 RVG.

 

Beispiel

Nachdem Kläger K vergeblich versuchte, außergerichtlich einen Betrag i.H.v. 19.000,00 EUR geltend zu machen, reicht K Klage beim zuständigen LG ein. Es wird streitig verhandelt. Währenddessen verständigen sich die Parteien auf die Zahlung von 10.000,00 EUR. Zusätzlich wird ein nicht anhängiger Anspruch von 5.000,00 EUR lediglich mitverglichen.

 
Variante 1    
I. Außergerichtliche Vertretung    
1,3-Geschäftsgebühr,   1...

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