§ 15 RVG
Leitsatz
Die Hauptforderung und die von ihr abhängenden Nebenforderungen sind gebührenrechtlich als eine Angelegenheit zu behandeln.
AG Bad Urach, Urt. v. 17.10.2023 – 1 C 89/23
I. Sachverhalt
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn und Eigentümer ihrer jeweiligen Grundstücke. Die Beklagte ließ eine Bodenfläche ausbetonieren, wobei die Grenze zum klägerischen Grundstück mit einer Grenzverletzung von – insoweit strittig – einigen bis zu 15 cm überbaut wurde.
Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 14.12.2022 wurde die Beklagte sodann aufgefordert, rechtmäßige Zustände wiederherzustellen, wobei die entsprechenden entfernten Pflastersteine auf dem klägerischen Grundstück wieder einzubringen wären und ein Gefälle an der Betonfläche so auszuführen war, dass Wasser nicht in Richtung des klägerischen Grundstücks ablaufe. Hierfür wurde Frist bis zum 19.1.2023 gesetzt. Wegen außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten wurde die Beklagte zur Zahlung bis zum spätestens 28.12.2022 eingehend aufgefordert. Die Beklagte beseitigte anschließend den Grenzüberbau bis zum 18.1.2023. Sie weigerte sich jedoch, die für das Schreiben vom 14.12.2022 verauslagten Rechtsanwaltskosten zu erstatten. Sie ist der Auffassung, am 14.12.2022 sei sie nicht in Verzug gewesen und schulde daher keinen Schadensersatz und damit keine Erstattung vorgerichtlicher Kosten.
II. Hauptsacheanspruch ist begründet
Die Klage ist in der Hauptsache aus § 823 Abs. 1 BGB begründet.
Nach § 823 Abs. 1 BGB ist, wer zumindest fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Mit dem Überbau hat die Beklagte das Eigentum der Klägerin an ihrem Grundstück verletzt. Die Klägerin musste den Überbau nicht nach § 912 BGB dulden. Zwar kann das Gericht dem Parteivortrag nicht entnehmen, dass die Klägerin "vor oder sofort nach" der Grenzüberschreitung Widerspruch eingelegt hat. Das Gericht hält allerdings den Grenzüberbau für grob fahrlässig. Denn in unmittelbarer Nähe zu den Arbeiten der Beklagten ist ein Grenzpunkt im Pflaster eingelassen. Außerdem entnimmt das Gericht dem Schreiben vom 14.12.2022, dass die Beklagte auch Pflastersteine der Klägerin entfernt hat. Insofern musste sich für die Beklagte bei Durchführung der Arbeiten aufdrängen, dass sie auf dem fremden Grundstück arbeitete oder arbeiten ließ. Daher geht das Gericht von grober Fahrlässigkeit aus.
III. Kostenerstattung aufgrund Eigentumsverletzung
Ein Geschädigter kann Kosten der Rechtsverfolgung unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung auch ersetzt verlangen, wenn die Ansprüche nicht auf Schadensersatz gerichtet sind. Der Schädiger ist gem. §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB auch bei Verletzung eines nicht-vermögensrechtlichen absoluten Rechts zum Ausgleich der Vermögensnachteile verpflichtet, die durch die Verletzung des Rechts adäquat verursacht worden sind (BGHZ 111, 168).
Allerdings sind nach feststehender Rspr. Aufwendungen, die dem Geschädigten aus von sich aus unternommenen Schritten zur Beseitigung der Störung entstehen, nur zu ersetzen, wenn sie aus der Sicht eines verständigen Menschen in der Lage des Geschädigten erforderlich erscheinen (BGHZ 111, 168). Unter diesen Voraussetzungen zählen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten (BGH MDR 2006, 929; BGHZ 127, 348).
Das erkennende Gericht wertet im vorliegenden Fall die Einschaltung eines Rechtsanwalts für erforderlich und zweckmäßig. Die Parteien sind Nachbarn, die Beklagte beging mit dem Grenzüberbau eine unerlaubte Handlung, die sich im Entfernen der Pflastersteine der Klägerin über den Überbau hinaus gesteigert hat. Ob nach einer solchen Handlung die Beklagte tatsächlich, wie der Beklagtenvertreter behauptet, einem von der Klägerin direkt ausgesprochenen Beseitigungsverlangen nachgekommen wäre, erscheint dem Gericht zumindest fragwürdig. Die Beklagte hat das Grundstück der Klägerin überbaut. Es wäre an ihr gewesen, initiativ zu werden und die Klägerin um Erlaubnis zum Überbau zu fragen. Dies kann das Gericht aber nicht erkennen. Wenn aber die Beklagte ohne erkennbare Vorankündigung das Grundstück der Klägerin überbaut, erscheint es auch konsequent, dass die Klägerin zur Beseitigung und Wiederherstellung anwaltlichen Rat einholt.
Hinzu kommt im vorliegenden Fall der Umstand, dass die Klägerin auch eine Zuleitung von Regenwasser auf ihr Grundstück vermutete, sodass bei der Verfolgung der Ansprüche mehrere Aspekte zu berücksichtigen waren (Rückbau, Wiedereinsetzen der Steine, Gefälle). Vor diesem Hintergrund erscheint es zweckmäßig, dass sich die Klägerin anwaltlicher Unterstützung bediente.
In der Höhe ist eine 1,3-Gebühr aus einem Streitwert von 3.500,00 EUR (361,40 EUR) zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, brutto insgesamt 453,87 EUR, nicht zu beanstanden.
IV. Keine Erstattung weiterer vorgerichtlicher Mahnkosten
Die Nebenforderung ist nicht begründet.
Der Kläger kann keine weiteren Aufwendungen für seinen Rechtsanwalt als Schaden ersetzt verlangen.
Im vorliegenden Fall war es nicht erforderlich, dass der Kläger seinem Rechtsanwalt erneut einen Auftrag...