In verwaltungsgerichtlichen Verfahren richtet sich der Umfang der Kostenerstattung nach § 162 VwGO.
Danach sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig (§ 162 Abs. 2 S. 1 VwGO). Ein Verweis auf § 91 Abs. 2 ZPO fehlt allerdings. Die Erstattungsvorschrift des § 162 VwGO differenziert im Gegensatz zu § 91 ZPO nicht nach einem Anwalt, der am Gerichtsort ansässig ist, im Gerichtsbezirk niedergelassen ist oder außerhalb wohnt oder niedergelassen ist.
Insoweit hat das BVerwG (NJW 2007, 3656 = RVGreport 2008, 65) Folgendes klargestellt:
Zitat
"§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO bestimmt, dass Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigten stets erstattungsfähig sind. Eine Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines nicht am Sitz des Gerichts tätigen oder wohnenden Rechtsanwalts nur erstattungsfähig sind, wenn seine Zuziehung notwendig war, kennt die Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Die für den Zivilprozess insoweit in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffene Regelung findet über § 173 VwGO keine Anwendung. Der Gesetzgeber wollte die Beteiligten im Verwaltungsprozess nämlich bei der Wahl eines Rechtsanwalts ihres Vertrauens freier stellen (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 162 Rn 10; Olbertz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Februar 2007, § 162 Rn 49), um es ihnen zu erleichtern, einen im Verwaltungsrecht qualifizierten Anwalt zu finden (vgl. BT-Drucks 3/55 S. 48)."
Ebenso hat das OVG Bautzen entschieden (NVwZ-RR 2017, 311):
Zitat
"Eine § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO inhaltlich entsprechende Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nur erstattungsfähig sind, wenn dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war, gibt es nach der Verwaltungsgerichtsordnung nicht."
Ebenso auch das VG Aachen (NJW-Spezial 2019, 764):
Zitat
"Eine Beschränkung der Erstattung von Reisekosten eines auswärtigen Anwalts kommt in verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs in Betracht. Eine Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines nicht am Sitz des Gerichts tätigen oder wohnhaften Rechtsanwalt nur erstattungsfähig sind, wenn seine Zuziehung notwendig war, kennt die Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Die für den Zivilprozess insoweit in § 91 Abs. 2 Satz 1 der ZPO getroffene Regelung findet über § 173 VwGO keine Anwendung, da der Gesetzgeber die Beteiligten im Verwaltungsprozess bei der Wahl eines Rechtsanwalts ihres Vertrauens freier stellen wollte."
Ungeachtet dessen wird in der Rspr. – wie hier – vielfach die Auffassung vertreten, dass die Anwendung des § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO auf die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten eines Anwalts zur Wahrnehmung gerichtlicher Termine unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO stehe, wonach es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen handeln müsse. Dem daraus herzuleitenden Grundsatz der Kostenminimierung sei bei der Anwaltswahl Rechnung zu tragen, indem ein Anwalt aus dem Gerichtsbezirk beauftragt werden müsse (Z.B. OVG Hamburg NVwZ-RR 2007, 565 = NJW 2007, 2939; VGH München, Beschl. v. 27.7.2006 – 2 N 04.2476; OVG Magdeburg, Beschl. v. 1.11.2005 – 4 O 327/05; OVG Koblenz NVwZ-RR 2004, 711; VGH Mannheim JurBüro 1990, 250; VG Aachen, Beschl. v. 11.5.2006 – 7 K 4169/04.A; VG Berlin, Beschl. v. 23.2.2010 – 9 KE 27.10, 13 A 40.07). Dessen Reisekosten sind dann aber immer erstattungsfähig.
Zutreffenderweise darf – wie das BVerwG zu Recht ausführt – keine Notwendigkeitsprüfung durchgeführt werden. Anders als nach anderen Erstattungsregeln sind nämlich nicht nur die notwendigen Kosten eines Anwalts zu erstatten, sondern die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts ohne Einschränkung.
Daher darf sich nach zutreffender Ansicht eine Partei in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch einen Anwalt außerhalb des Gerichtsbezirks nehmen, ohne dessen Notwendigkeit im Einzelnen begründen zu müssen. Eine Begrenzung kann lediglich bei Rechtsmissbrauch oder Mutwilligkeit angenommen werden.
Soweit gesetzeswidrig hinsichtlich der Reisekosten eine Notwendigkeitsprüfung angestellt wird, kann auf die Rspr. zu den Zivilsachen Bezug genommen werden.
Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen
AGS 12/2023, S. 557 - 558