§ 21 Abs. 1 S. 1 GKG; § 128 Abs. 3 FGO
Leitsatz
- Ein Rechtsmittel, dessen Statthaftigkeit von einer Zulassungsentscheidung des Gerichts abhängig ist, muss durch dessen besondere Entscheidung ausdrücklich im Tenor oder zumindest erkennbar in den Entscheidungsgründen zugelassen sein. Fehlt ein solcher Ausspruch über die Zulassung, ist das Rechtsmittel in der Entscheidung nicht zugelassen worden.
- Allein die Beifügung einer auf die Möglichkeit der Beschwerde hinweisenden Rechtsmittelbelehrung genügt für eine Zulassungsentscheidung nicht.
- Wird das Rechtsmittelverfahren durch eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des Gerichts veranlasst, ist regelmäßig von der Erhebung der Gerichtskosten für das Rechtsmittelverfahren abzusehen.
BFH, Beschl. v. 30.8.2023 – X B 63/23 (AdV)
I. Sachverhalt
Das FG Stuttgart hatte durch Beschl. v. 16.5.2023 den von dem Antragsteller gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt. Weder im Tenor noch in den Gründen dieses Beschlusses finden sich Ausführungen zu der Frage, ob die Beschwerde zugelassen wird oder nicht. Zwischen dem Tenor und den Gründen enthält der Beschluss jedoch eine Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt werden kann.
Aufgrund dieser Rechtsmittelbelehrung hat der Antragsteller rechtzeitig beim FG Beschwerde gegen den Beschl. v. 16.5.2023 eingelegt. In seinem Nichtabhilfebeschluss hat das FG Stuttgart ausgeführt, es habe die Beschwerde nicht zugelassen. Dem Beschluss sei versehentlich eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung beigefügt worden.
II. Unzulässigkeit der Beschwerde
1. Keine Zulassung des Rechtsmittels
Der BFH hat darauf hingewiesen, dass gem. § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde gegen Entscheidungen über die Aussetzung der Vollziehung nur statthaft ist, wenn sie vom FG zugelassen worden ist. Vorliegend habe das FG Stuttgart die Beschwerde jedoch nicht zugelassen. Diese Zulassung muss – so fährt der BFH fort – durch besondere Entscheidung des FG ausdrücklich im Tenor oder zumindest erkennbar in den Entscheidungsgründen erfolgt sein. Fehle – wie hier – ein solcher Ausspruch über die Zulassung, habe das FG das Rechtsmittel in seiner Entscheidung nicht zugelassen.
2. Unrichtige Rechtsmittelbelehrung ist keine Zulassung
Nach den weiteren Ausführungen des BFH genügt allein die Beifügung einer auf die Beschwerde hinweisende Rechtsmittelbelehrung für eine Zulassungsentscheidung nicht. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich – wie hier – weder dem Tenor noch den Gründen der Entscheidung Anhaltspunkte für eine Zulassung entnehmen lassen. Es liege auch keiner der Ausnahmefälle vor, in denen der BFH aufgrund einer zusätzlichen Bemerkung, die in der Rechtsmittelbelehrung der Entscheidung des FG enthalten war, von einer Zulassungsentscheidung ausgegangen werden könne, obwohl sich hierfür im Tenor und in den Entscheidungsgründen keine Anhaltspunkte gefunden hätten. Einen solchen Fall hatte der BFH einmal angenommen, wenn das FG in der Rechtsmittelformulierung formuliert hatte, die Beteiligten könnten "wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache" Revision einlegen. Solche zusätzlichen Bemerkungen enthielt die Rechtsmittelbelehrung des FG Stuttgart hier jedoch nicht. Vielmehr hatte das FG lediglich die Standard-Rechtsmittelbelehrung in das Urteil eingefügt.
III. Nichterhebung der Gerichtskosten
Am Ende seiner Entscheidung hat der BFH angeordnet, dass von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsmittelverfahren gem. § 21 Abs. 1 S. 1 GKG abzusehen sei. Nach dieser Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Diese Voraussetzung war hier nach Auffassung des BFH erfüllt. Das Rechtsmittelverfahren des Antragstellers sei nämlich durch die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung des FG Stuttgart veranlasst worden.
IV. Bedeutung für die Praxis
Der BFH hat hier zu Recht die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Rechtsmittelverfahren angeordnet, da die Voraussetzungen hierfür gem. § 21 Abs. 1 GKG vorgelegen haben. Dem FG Stuttgart war hier ein offen zu Tage tretender Fehler oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen, indem es seiner Entscheidung eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt hatte, nach der die Beschwerde gegeben war, obwohl es weder im Tenor noch erkennbar in den Entscheidungsgründen die Beschwerde zugelassen hatte. Damit lag ein offensichtlicher und eindeutiger Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vor. Gem. § 105 Abs. 2 Nr. 6 FGO hat das Urteil die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Diese Entscheidung gilt für Beschlüsse entsprechend. Aus der Rechtsmittelbelehrung soll der Verfahrensbeteiligte entnehmen können, dass und unter welchen Voraussetzungen gegen die Entscheidung des Gerichts welches Rechtsmittel gegeben ist. Die Rechtsmittelbelehrung hat nur dann ihren Sinn, wenn sie zutreffend ist. Eine Belehrung des Verfahrensbeteiligten über ein tatsächlich nicht gegebenes Rechtsmittel führt diesen in die Irre. Die Beifügung einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung, die den Verfahrensbeteiligten in ein tatsächlich nicht gegebenes Rechtsmittel treibt, ist somit ein offensichtlich erkennbarer Verstoß g...