§ 465 StPO; Nr. 9007 GKG KV
Leitsatz
Hat der Verurteilte aufgrund der Kostengrundentscheidung aus dem ihm verurteilenden Urteil die Kosten des Verfahrens nur insoweit zu tragen, soweit er verurteilt wurde, sind die im Zusammenhang mit dieser Verurteilung entstandenen Kosten nach der sog. Differenzmethode zu ermitteln.
LG Halle, Beschl. v. 10.8.2023 – 16 KLs 540 Js 17049/21 (16/21)
I. Sachverhalt
In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft wurden dem Angeklagten drei Straftaten zur Last gelegt, nämlich unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Tat 1.), unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln gem. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG (Tat 2.) und unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln gem. § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG (Tat 3.).
Mit Beschluss der Strafkammer wurde das Verfahren bezüglich der Tat 3. der Anklageschrift mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten gem. § 153 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StPO eingestellt. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, wurden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Erinnerungsführers der Staatskasse auferlegt (§ 467 Abs. 1 StPO).
Am 14.12.2022 wurde der Angeklagte durch die große Strafkammer wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Tat 2.) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,00 EUR verurteilt. I.Ü. wurde das Verfahren wegen der Tat 1. gem. §§ 206a, 260 Abs. 3 StPO eingestellt, da dem Verfahren ein Verfahrenshindernis wegen rechtsstaatswidriger Tatprovokation entgegenstand. Soweit der Angeklagte verurteilt wurde, wurden ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, wurden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auferlegt. Das Urt. v. 14.12.2022 ist seit dem 22.12.2022 rechtskräftig.
Mit ihrer Kostenrechnung stellte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Kosten des Verfahrens i.H.v. insgesamt 7.981,42 EUR in Rechnung. Hierunter fielen ausweislich der auch "an Rechtsanwälte zu zahlende Beträge" i.H.v. 6.985,02 EUR gem. Nr. 9007 GKG KV zu § 3 Abs. 2 GKG.
Dagegen hat der Angeklagte Erinnerung eingelegt, die Erfolg hatte:
II. Teilweise Kostentragungspflicht
Nach Auffassung des LG hat die Staatsanwaltschaft zu Unrecht die Pflichtverteidigerkosten i.H.v. 6.985,02 EUR in Ansatz gebracht. Der ehemalige Angeklagte habe aufgrund der rechtskräftigen Kostengrundentscheidung aus dem Urteil 14.12.2022 die Kosten des Verfahrens nur insoweit zu tragen, soweit er verurteilt wurde, also für die Verurteilung wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln. Konkret wurde er wegen des Erwerbs von 4 g Methamphetamin zum Preis von 200,00 EUR, die für seinen Eigenkonsum bestimmt waren, verurteilt.
III. Differenzmethode
Die Ermittlung der im Zusammenhang mit dieser Verurteilung entstandenen Kosten habe nach der sog. Differenzmethode zu erfolgen. Nach dieser müsse der Kostenbeamte auf ein fiktives Verfahren nur wegen der rechtskräftig verurteilten Taten abstellen und bei jeder Auslagenposition prüfen, ob diese auch in diesem fiktiven Verfahren angefallen wäre (exemplarisch KK-StPO/Gieg, 9. Aufl., 2023, § 465 Rn 7). Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Verteidigervergütung sei mithin zu prüfen, welcher Honoraranspruch dem Verteidiger gegen den ehemaligen Angeklagten tatsächlich zustehe und wie hoch sich dieser Anspruch belaufen würde, wenn nur die von der Verurteilung umfasste Tat Gegenstand des Verfahrens und der Verteidigerbemühungen gewesen wäre. Dies zugrunde gelegt sei vorliegend davon auszugehen, dass der ehemalige Angeklagte bei einer Anklage nur der Tat, wegen welcher er letztlich verurteilt worden ist (Tat 2.), gar keinen Verteidiger in Anspruch genommen hätte, jedenfalls keinen hätte in Anspruch nehmen müssen. Beim Erwerb von 4 g Methamphetamin zum Eigenkonsum handele es sich angesichts der geringen Menge des Betäubungsmittels um eine minder schwere Form der Kriminalität, deren Einordnung als Bagatelldelikt jedenfalls nicht fernliege. Wegen dieser Tat hätte die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem AG erhoben, ggf. hätte sie sogar nur den Erlass eines Strafbefehls beantragt. Letztlich habe allein die Tat 1., die als Verbrechen zu qualifizieren sei und deretwegen der ehemalige Angeklagte in Untersuchungshaft gewesen sei und Anklage vor dem LG erhoben wurde, die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich gemacht. Im Hinblick auf diese Tat sei das Verfahren jedoch mit Urteil der Kammer vom 14.12.2022 eingestellt. Die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten durch dessen Pflichtverteidiger sei von Anfang an auf die Tat 1. fokussiert gewesen; die Tätigkeit des Verteidigers hinsichtlich der Tat 2., hinsichtlich der der ehemalige Angeklagte verurteilt worden sei, sei hingegen von völlig untergeordneter Bedeutung. Insoweit wäre es unbillig, den ehemaligen Angeklagten auch nur mit einem geringen Teil der Pflichtverteidigerkosten, der seiner Verurteilung entspricht, zu belasten.
IV. Bedeutung für die Praxis
M.E. wendet das LG die Differenzmetode, die in diesen Fällen zur Anwendung kommt (vgl. zur Differenzmethode Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsac...