Rechtsanwalt Norbert Schneider, Schutzschrift: 0,8- oder 1,3-Verfahrensgebühr? NJW-Spezial 2022, 411
Insbesondere in Wettbewerbssachen reicht regelmäßig derjenige, der befürchtet, mit einer einstweiligen Verfügung überzogen zu werden, bei Gericht eine Schutzschrift ein. Dies ermöglicht es dem Gericht, bei seiner Entscheidung über den vom Antragsteller gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch das Vorbringen des Antragsgegners zu berücksichtigen. Diese Schutzschriften werden gem. § 945a ZPO in dem Zentralen Schutzschriftenregister registriert, das gem. § 49c BRAO von den Rechtsanwälten genutzt werden muss.
In seinem Beitrag untersucht der Autor, welche Vergütung dem Rechtsanwalt anfällt, der in einem solchen Fall eine Schutzschrift bei Gericht einreicht. Allgemein anerkannt sei es, dass dem Rechtsanwalt für das Einreichen einer Schutzschrift eine Verfahrensgebühr anfällt, weil es sich insoweit nicht um eine außergerichtliche Vertretung, sondern um eine Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren, nämlich dem erwarteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, handele. Der Umstand, dass im Regelfall zum Zeitpunkt des Einreichens der Schutzschrift noch kein Verfahren anhängig ist, steht dem nach Auffassung des Autors nicht entgegen. Maßgeblich sei vielmehr nach Vorbem. 3 Abs. 1 VV, dass dem Rechtsanwalt ein unbedingter Auftrag für ein gerichtliches Verfahren erteilt worden ist, was bei dem Auftrag auf Einreichen einer Schutzschrift der Fall sei.
Welche Verfahrensgebühr dem mit dem Einreichen einer Schutzschrift beauftragten Rechtsanwalt anfällt, bestimmt sich nach dem Inhalt des Auftrags. Erhält der Rechtsanwalt allein den Auftrag zur Einreichung einer Schutzschrift und nicht auch den Auftrag, den Mandanten in einem eventuell eingeleiteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu vertreten, fällt dem Rechtsanwalt nach den Ausführungen des Autors die für Einzeltätigkeiten bestimmte 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV an. Wird der Rechtsanwalt jedoch auch noch mit der Vertretung in einem erwarteten einstweiligen Verfügungsverfahren beauftragt, falle ihm die 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV an, in der die für das Einreichen der Schutzschrift verdiente 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV aufgrund der Regelung in § 15 Abs. 6 RVG aufgehe.
Sodann erörtert Schneider den Fall, dass der Rechtsanwalt nicht nur den Auftrag erhält, eine Schutzschrift bei Gericht einzureichen, sondern auch den Auftrag, den Mandanten in einem etwa nachfolgenden einstweiligen Verfügungsverfahren zu vertreten. In diesem Fall handele es sich um keinen Auftrag für eine Einzeltätigkeit, sodass Nr. 3403 VV von vornherein ausscheide. Vielmehr zähle das Einreichen der Schutzschrift nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug und werde durch die dort angefallene Verfahrensgebühr mit abgegolten. Fraglich und umstritten ist es nach den Ausführungen des Autors in einem solchen Fall jedoch, ob eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV anfällt oder lediglich eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV.
Wird nach dem Einreichen der Schutzschrift von dem Antragsteller ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, in dem der Rechtsanwalt den Antragsgegner vertritt, fällt nach allgemeiner Auffassung eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV an. Das Einreichen der Schutzschrift wird durch die im einstweiligen Verfügungsverfahren angefallene Verfahrensgebühr abgegolten.
Umstritten ist die Gebührenrechtslage nach den weiteren Ausführungen des Autors jedoch dann, wenn es nicht zu einem einstweiligen Verfügungsverfahren kommt. Schneider weist darauf hin, dass nach einer Auffassung nur die 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV entsteht. Diese Auffassung hält der Autor für falsch, weil der dort geregelte Fall einer vorzeitigen Erledigung des Auftrags nicht vorliege. Denn vor der Erledigung des Auftrags habe der Rechtsanwalt bei Gericht einen Schriftsatz mit Sachvortrag eingereicht, in vielen Fällen enthalte der Schriftsatz auch noch zusätzlich einen Sachantrag, sodass insoweit die Voraussetzungen der Nr. 3101 Nr. 1 VV für die Ermäßigung der Verfahrensgebühr auf den Satz von 0,8 nicht vorlägen. Schneider folgt deshalb der in der Rspr. ganz überwiegend vertretenen Auffassung, die dem Rechtsanwalt bei einer solchen Fallgestaltung eine 1,3-Verfahrensgebühr zubilligt.
Richter Dr. Sascha Scheikholeslami-Sabzewari, Die Kosten der Nebenintervention bei Abschluss eines Prozessvergleichs, NJW 2023, 878
Ist an einem Rechtsstreit ein Nebenintervenient beteiligt, können diesem insbesondere bei anwaltlicher Vertretung, Kosten entstehen. In der Praxis wird leider nicht immer berücksichtigt, dass die Kosten der Nebenintervention nicht zu den Kosten des Rechtsstreits gehören. Gem. § 101 Abs. 1 ZPO fallen nämlich die durch die Nebenintervention verursachten Kosten dem Gegner der vom Nebenintervenienten unterstützten Hauptpartei zur Last, soweit der Gegner sie nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 ZPO zu trag...