Nach Auffassung des OLG hat der Pflichtverteidiger keinen Anspruch auf Festsetzung der für das Ausdrucken der vollständigen Akte von den ihm dauerhaft überlassenen Datenträgern entstandenen Gebühren und Auslagen, da der Ausdruck zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache nicht geboten gewesen sei. Der Ausdruck einer in digitalisierter Form (hier auf mehreren CD-ROM) gespeicherten Gerichtsakte falle unter den Gebührentatbestand der Nr. 7000 Nr. 1a) VV. Danach entstehe eine Dokumentenpauschale für Kopien und Ausdrucke aus Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war.
Die Frage, ob die Ausdrucke – Entsprechendes gelte für die Kopien aus einer Gerichtsakte – zur sachgerechten Bearbeitung erforderlich waren, beurteile sich im Einzelfall nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten. Dies sei aus der Sicht zu beurteilen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Prozessbevollmächtigter (oder Verteidiger) haben kann, wenn er sich mit der betreffenden Gerichtsakte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der dann noch erforderlichen eigenen Bearbeitung der Sache auftreten können (vgl. BGH NJW 2005, 2317 f. = AGS 2005, 306). Es sei also ein objektivierter Maßstab zugrunde zu legen; auf die subjektive Sicht des Rechtsanwalts kommt es nicht an. Gleichwohl steht auch dem gerichtlich bestellten bzw. beigeordneten Rechtsanwalt ein weiter Ermessensspielraum zu (vgl. OLG Celle NJW 2012, 1671; OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.3.2012 – 2 Ws 49/12; OLG Köln NStZ-RR 2012, 392 = RVGreport 2012, 427). Allerdings müsse der Anwalt das ihm eingeräumte Ermessen auch ausüben (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.11.2009 – 2 Ws 526/09; OLG Köln NStZ-RR 2012, 392 = RVGreport 2012, 427).
Man folge nunmehr der Auffassung (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.4.2018 – 2 Ws 1/18, AGS 2018, 267; OLG Rostock, Beschl. v. 4.8.2024 – 20 Ws 193/14, AGS 2014, 553), dass bei Überlassung von auf digitalen Datenträgern gespeicherten Akten deren Ausdruck ohne Vorliegen besonderer Umstände grds. nicht mit der Dokumentenpauschale vergütet werden könne, und gebe die im Beschl. v. 30.5.2017 (2 Ws 98/17, AGS 2018, 73) vertretene gegenteilige Meinung auf. Das begründet das OLG wie folgt:
Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung bestehe für eine sachgemäße Bearbeitung einer Rechtssache grds. kein Erfordernis, eine in elektronischer Form vorhandene Akte auszudrucken. In Zivil- und Familiensachen sei im Freistaat Bayern und vielen anderen Bundesländern die elektronische Gerichtsakte bereits seit längerem eingeführt. In Strafsachen können die Akten gem. § 32 Abs. 1 S. 1 StPO elektronisch geführt werden; ab 1.1.2026 sei dies verpflichtend. Bei einigen Staatsanwaltschaften und Gerichten im Freistaat Bayern laufen Pilotprojekte und die Regeleinführung der elektronischen Gerichtsakte bei den Bayerischen Gerichten habe begonnen. Hieraus ergebe sich, dass der Umgang mit elektronischen Akten mittlerweile Alltag im gerichtlichen und anwaltlichen Berufsleben geworden sei, sodass es für eine sachgemäße Bearbeitung einer Rechtssache durch einen Rechtsanwalt grds. nicht mehr erforderlich sei, eine in elektronischer Form vorhandene Akte auszudrucken. Dass die elektronische Aktenführung für Rechtsanwälte nicht verpflichtend sei, ändere daran nichts. Ob die Akten, wie im vorliegenden Fall, auf einem elektronischen Speichermedium (etwa CD-ROM) zum dauernden Verbleib oder durch die Möglichkeit zum Download und lokaler Speicherung auf einem Speichermedium des Rechtsanwalts zur Verfügung gestellt werden und ihm damit jederzeit und an jedem Ort ein vollständiger Zugriff auf die Akten möglich ist, sei dabei unerheblich.