1. Streitstand
Die Rückforderung sei auch nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen. Ob und in welcher Weise die Rückforderung einer überhöht festgesetzten und ausgezahlten Vergütung einer zeitlichen Begrenzung unterliege, sei streitig. Eine Auffassung ziehe die gesetzliche Wertung zur Nachforderung von Kosten wegen eines unrichtigen Ansatzes (§ 20 Abs. 1 GKG, § 19 Abs. 1 S. 1 FamGKG) heran und meine, dass die Rückforderung nach Ablauf des auf die Vergütungsfestsetzung folgenden Kalenderjahres ausgeschlossen sei (OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.9.2009 – 2 Ws 125/09; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.8.2019 – II-1 WF 128/19, AGS 2019, 480). Demgegenüber werde unter Hinweis auf die gem. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG unbefristete Erinnerungsbefugnis die Auffassung vertreten, dass die genannten Vorschriften nicht eingreifen und die Rückforderungsbefugnis der Staatskasse allenfalls im Rechtsinstitut der Verwirkung seine Grenze findet. Es sei eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen, die Erinnerung nicht zeitlich zu befristen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.3.2017 – I-10 W 35-37/17, AGS 2017, 350; LAG München, Beschl. v. 4.3.2014 – 1 Ta 416/12).
2. Auffassung des OLG
Das OLG hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen und hält die analoge Anwendung der starren Fristen der § 20 Abs. 1 GKG, § 19 Abs. 1 S. 1 FamGKG auf die Rückforderung von Gebühren und Auslagen von einem Pflichtverteidiger für verfehlt. Die Nachforderung von Kosten wegen eines unrichtigen Ansatzes sei nicht mit der unzutreffenden Auszahlung von Gebühren und Auslagen eines Pflichtverteidigers vergleichbar. Hätte der Gesetzgeber die Rückforderung in solchen Fällen an eine konkrete Frist knüpfen wollen, hätte es ihm freigestanden, eine entsprechende Regelung zu treffen. Davon habe der Gesetzgeber abgesehen und sich vielmehr bewusst entschieden, die Erinnerung nicht zeitlich zu befristen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; LAG München, a.a.O.). Das LG habe im angefochtenen Beschluss zutreffend auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf der Bundesregierung zum Justizkommunikationsgesetz vom 23.2.2005 (BT-Drucks 15/4952) hingewiesen, wonach die Neufassung von § 56 Abs. 2 S. 1 RVG klarstellen sollte, dass die Erinnerung gegen die Vergütung zeitlich nicht befristet ist (BT-Drucks 15/4952, 41 u. 51).
Gerade der vorliegende Fall, bei dem zugleich ein Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) gestellt sei, zeige, dass die kurze Frist der § 20 Abs. 1 GKG, § 19 Abs. 1 S. 1 FamGKG für den Rückforderungsanspruch nicht angemessen sei. Denn bei Festsetzung einer Pauschgebühr sei zu prüfen, ob die in den Teilen 4 bis 6 VV bestimmten gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens unzumutbar niedrig seien (§ 51 Abs. 1 S. 1 RVG). Wäre die Rückforderung in analoger Anwendung der § 20 Abs. 1 GKG, § 19 Abs. 1 S. 1 FamGKG nach Ablauf des auf die Vergütungsfestsetzung folgenden Kalenderjahres ausgeschlossen, könnte deren sich aus den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses ergebende Höhe trotz des Eingangs eines Antrags auf Bewilligung einer Pauschgebühr danach ggf. nicht mehr korrigiert werden. Denn beim Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr sei es dem Staat binnen 3 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das zugrundeliegende Verfahren rechtskräftig geworden ist, untersagt, die Einrede der an §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu bemessenden Verjährung zu erheben (KG, Beschl. v. 15.4.2015 – 1 ARs 22/14, AGS 2015, 386; OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.4.2019 – 1 ARs 5/19, AGS 2019, 215). Der gem. § 51 RVG zu treffenden Senatsentscheidung fehle somit der zutreffende Bezugspunkt.