RVG VV Nr. 4142 RVG § 33
Leitsatz
- Wird im Adhäsionsverfahren ein Schmerzensgeldanspruch geltend gemacht und ohne Angabe eines Mindestbetrages in das Ermessen des Gerichts gestellt, so ist der Wert danach zu ermitteln, was bei Anlegung eines objektiven Maßstabs hätte verlangt werden können. Von "vornherein unrealistisch" hohe Erwartungen des Geschädigten sind insoweit unerheblich.
- Andererseits kommt es auch nicht auf den Betrag an, auf den sich die Parteien später verglichen haben.
KG, Beschl. v. 21.4.2009 – 1 Ws 45/09
1 Sachverhalt
Der Angeklagte hatte sich in einem vor der Jugendkammer des LG geschlossenen Vergleich verpflichtet, an den Adhäsionskläger "zum Ausgleich sämtlicher Schmerzensgeldansprüche aus dem streitigen Sachverhalt" 1.000,00 EUR zu zahlen und die Kosten des Adhäsionsverfahrens zu tragen. Durch Beschluss hat das LG (in der Besetzung mit drei Richtern) den "Wert des Adhäsionsverfahrens" auf 2.000,00 EUR festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde, durch die der Adhäsionskläger die Festsetzung des Gebührenstreitwertes auf 10.000,00 EUR erstrebt, bleibt ohne Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel in der Besetzung mit drei Richtern, da das LG den angefochtenen Beschluss entgegen § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 1 RVG nicht durch den Einzelrichter erlassen hat.
2. Die fristgerecht (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG) eingelegte Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR (§ 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Allein bei der mit dem Festsetzungsantrag des Adhäsionsklägers geltend gemachten Gebühr Nr. 4143 VV beträgt gem. § 13 Abs. 1 RVG die Differenz zwischen der beanspruchten Höhe (972,00 EUR) und dem nach einem Streitwert von 2.000,00 EUR zu berechnenden Betrag (266,00 EUR) 706,00 EUR.
3. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die nach den §§ 2, 23 Abs. 1 S. 1 RVG, § 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 3 Hs. 1 ZPO auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung beschränkte Überprüfung der angefochtenen Entscheidung deckt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Adhäsionsklägers auf.
Richtig ist zunächst, dass die Jugendkammer den Gebührenstreitwert nicht nach dem Betrag bestimmt hat, auf den sich die Parteien im Vergleich geeinigt haben. Maßgeblich ist vielmehr die Höhe der ursprünglichen Schmerzensgeldforderung. Wird diese – wie hier – ohne Angabe eines Mindestbetrages in das Ermessen des Gerichts gestellt, ist diejenige Summe zugrunde zu legen, die sich bei objektiver Würdigung des Klägervorbringens als angemessen ergibt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., Anh. § 3 Rn 99).
Es ist danach nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer bei der Festsetzung des Gebührenstreitwertes auf 2.000,00 EUR den Vorstellungen des Beschwerdeführers, der ein Schmerzensgeld von 10.000,00 EUR für gerechtfertigt erachtet hatte, als "von vornherein unrealistisch" nicht gefolgt ist und einen objektiven Maßstab angelegt hat. Das LG hat dabei mit Recht wertmindernd berücksichtigt, dass der zur Tatzeit fast vierzehnjährige Geschädigte in Kenntnis der sexuellen Neigungen des Angeklagten selbst den Kontakt zu ihm gesucht und sich in Erwartung der vereinbarten Entlohnung freiwillig auf die Missbrauchshandlungen eingelassen hatte. Auch den behaupteten psychischen Folgen der Tat hat das LG bei der Festsetzung des Streitwertes zu Recht nicht das vom Beschwerdeführer gewünschte Gewicht beigemessen, da sich der Adhäsionsantrag insoweit ohne nähere Darlegung weitgehend in einer schlagwortartigen Aufzählung von angeblichen Symptomen erschöpfte, die auch durch die Beweisaufnahme offensichtlich keine Bestätigung gefunden haben. Dem hat der Beschwerdeführer, der insoweit lediglich auf die Begründung seines Adhäsionsantrages verweist, auch nichts entgegengesetzt. Die von ihm zur Höhe des Schmerzensgeldes bei Sexualstraftaten angeführten Beispiele aus der Rspr. sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Entnommen von www.burhoff.de