RVG § 15 Abs. 2 S. 1 RVG VV Nr. 1008

Leitsatz

  1. Ist bei Vertretung von Streitgenossen in derselben Angelegenheit eine bindende Addition der Einzelwerte erfolgt, scheidet eine Gebührenerhöhung wegen Vertretung mehrerer Auftraggeber aus.
  2. An einen unrichtigen, aber wegen Ablaufs der maßgeblichen Frist nicht mehr korrigierbaren Streitwert sind der Rechtspfleger und das Beschwerdegericht im Kostenfestsetzungsverfahren gebunden.
  3. Vertritt ein Anwalt im selben Verfahren eine weitere Partei in einer anderen Angelegenheit, erhält er die dafür anfallenden Gebühren gesondert.

OLG Koblenz, Beschl. v. 26.10.2010 – 14 W 601/10

1 Sachverhalt

Die beiden Kläger hatten den Beklagten als Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Erblasserin auf Erfüllung von Vermächtnissen in Höhe von 1,8 Mio. EUR abzüglich nach Anhängigkeit gezahlter 750.000,00 EUR (Klägerin zu 1) sowie 1,2 Mio. EUR abzüglich nach Anhängigkeit gezahlter 500.000,00 EUR (Kläger zu 2) in Anspruch genommen.

Im Wege der Widerklage begehrte der Beklagte die Rückzahlung der geleisteten Beträge von 750.000,00 EUR bzw. 500.000,00 EUR, wobei beide Kläger als Gesamtschuldner 1.250.000,00 EUR zahlen sollten.

Mit seiner Drittwiderklage verlangte der Beklagte außerdem von der Drittwiderbeklagten einen Betrag von 1.009.946,00 EUR wegen vermeintlich unberechtigter Kontoabhebungen. Alle drei von der Erblasserin Begünstigten waren von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten worden.

Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben, Widerklage und Drittwiderklage dagegen abgewiesen. Zugleich wurden dem Beklagten die gesamten Kosten des Verfahrens auferlegt.

Mit Beschluss hat das LG auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Kläger sowie der Drittwiderbeklagten den Streitwert für die Klägerin zu 1) auf 2.300.000,00 EUR festgesetzt (ursprüngliche Klageforderung in Höhe von 1.800.000,00 EUR – 750.000,00 EUR + 1.250.000,00 EUR als Gesamtschuldnerin der Widerklage). Für den Kläger zu 2) wurde der Streitwert auf 1.950.000,00 EUR festgesetzt (ursprüngliche Klageforderung in Höhe von 1.200.000,00 EUR – 500.000,00 EUR + 1.250.000,00 EUR als Gesamtschuldnerin der Widerklage). Für die Drittwiderbeklagte wurde der Streitwert sodann auf 1.009.946,00 EUR sowie für das Gericht und den Beklagten auf insgesamt 4.009.946,00 EUR festgesetzt.

Der Beklagte hatte der Streitwertfestsetzung in dieser Form zuvor widersprochen und geltend gemacht, dass damit der Streitwert der Widerklage doppelt berücksichtigt werde. Rechtsmittel gegen den Streitwertbeschluss wurden nicht erhoben.

Mit Antrag v. 13.5.2009 haben die Bevollmächtigten der Kläger die Festsetzung ihrer Gebühren und Auslagen jeweils netto und nebst Zinsen aus einem Streitwert von 4.250.000,00 EUR sowie für die Vertretung der Drittwiderbeklagten aus einem Streitwert von 1.009.946,00 EUR beantragt. Am 18.9.2009 haben sie diesen Antrag berichtigt.

Der Rechtspfleger hat die Kosten mit dem angefochtenen Beschluss auf netto 46.925,08 EUR festgesetzt. Dabei wurde von einem Streitwert von 4.009.946 EUR ausgegangen und eine gesonderte Festsetzung der Gebühren für die Vertretung der Drittwiderbeklagten abgelehnt.

Hiergegen wenden sich die Kläger und die Drittwiderbeklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde v. 23.3.2010, mit der sie ihren bisherigen Vortrag ergänzen und vertiefen sowie die Abrechnung aus einem Streitwert von 4.250.000,00 EUR sowie die gesonderte Festsetzung betreffend der Drittwiderklage begehren.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist weitgehend begründet.

2 Aus den Gründen

1. Die von dem Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten sind auf 43.283,28 EUR festzusetzen.

Für die Kostenfestsetzung ist grundsätzlich von der Streitwertfestsetzung durch das LG auszugehen. Diese ist von den Parteien nicht angegriffen worden. Die Festsetzung ist eindeutig und schließt für die Klägerin zu 1) mit einem Betrag von 2.300.000,00 EUR sowie für den Kläger zu 2) mit 1.950.000,00 EUR ab. Dies ist nicht auslegungsfähig.

In den Fällen des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG sind die festgesetzten Streitwerte zusammenzurechnen. Hieraus sind die einschlägigen Gebühren zu berechnen. Danach ergibt sich, wie die Beschwerde zu Recht rügt, ein Streitwert von 4.250.000,00 EUR, der der Gebührenabrechnung des Prozessbevollmächtigten der Kläger zugrunde zu legen ist.

Richtigerweise darf in diesen Fällen aber keine Erhöhungsgebühr beansprucht werden. Die Vertretung von zwei Parteien ist in diesem Fall durch den höheren Gesamtstreitwert abgegolten. Die Erhöhungsgebühr war deshalb zu streichen, die sofortige Beschwerde in entsprechende Höhe zurückzuweisen.

Es kann dahinstehen, ob die Rechtsauffassung des Rechtspflegers zur Bestimmung des richtigen Streitwertes zutrifft. Den beachtlichen Ausführungen in der ergänzenden Beschwerdebegründung hat er argumentativ nichts entgegengesetzt. Es oblag der Entscheidung des Beklagten, ob er mit der Widerklage die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) jeweils nur auf Rückzahlung der ihnen zug...

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