GKG §§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 3 Abs. 2 GKG-KostVerz. Nr. 9003 ZPO § 299 StPO § 147
Leitsatz
Die Pauschale für die Versendung von Akten schuldet der antragstellende Rechtsanwalt auch dann, wenn er die Akten zur Einsichtnahme in der Kanzlei aus seinem Gerichtsfach abholen lässt.
OLG Koblenz, Beschl. v. 14.1.2013 – 14 W 19/13
1 Aus den Gründen
Die Beschwerdeführer (Rechtsanwälte) wenden sich gegen einen Gerichtskostenansatz von 12,00 EUR. Dabei handelt es sich um die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beschwerdeführer mit Kanzleisitz in M. baten um Einsicht in Akten des AG M. Dem Antrag wurde stattgegeben, die Akten in ein Anwaltsfach in der Wachtmeisterei des Gerichts gelegt. Dort holte ein Mitarbeiter der Rechtsanwälte die Akten ab. Nach Einsicht veranlassten die Anwälte, dass die Akten zum AG zurückgebracht wurden.
AG und LG haben sich auf den Standpunkt gestellt, trotz der von den Anwälten veranlassten Abholung der Akten bei Gericht sei die Aktenversendungspauschale angefallen. Die Pauschale gelte nicht nur Portokosten, sondern gleichermaßen den gerichtlichen Arbeitsaufwand ab für das Prüfen des Antrags, die Aktenkontrolle, den Transport der Akten von der Geschäftsstelle zur Wachtmeisterei, das dortige Einlegen der Akten in das Fach der Anwälte und die Überwachung der Rückgabe. Dazu hat das LG auf die in NJW 2006, 306 abgedruckte Entscheidung des OLG Hamm v. 30.9.2005 (22 U 185/05) und den Senatsbeschluss 14 W 823/05 verwiesen. Der Sache nach erspare die Justiz nur die Portokosten. Das sei aber kein durchschlagender Sachgrund, da die zu erhebenden Auslagen vom Gesetzgeber pauschaliert seien.
Das sieht der Senat genauso. Die kraft Zulassung durch das LG statthafte weitere Beschwerde (§ 66 Abs. 4 S. 1 GKG) erweist sich daher in der Sache als unbegründet.
Zur Frage, ob die Aktenversendungspauschale anfällt, wenn ein Rechtsanwalt die Akten bei Gericht aus einem dort eingerichteten Anwaltsfach abholen lässt, gibt es zahlreiche Entscheidungen. Zutreffend hat der Bezirksrevisor bei dem LG darauf hingewiesen, dass in der Rspr. nahezu einhellig die Auffassung vertreten wird, dass die Aktenversendungspauschale dafür nicht zu erheben ist (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 26.1.2012 – 1 Ws 568/11 – zu einem allerdings im Tatsächlichen etwas anders gelagerten Sachverhalt; LAG Schleswig, Beschl. v. 9.2.2007 – 1 Ta 62/06; VG Meinigen, Beschl. v. 28.7.2005 – 5 K 463/04.Me; LG Koblenz, Beschl. v. 26.7.1996 – 2103 Js 20219/95 – 1 Kls; LG Chemnitz, Beschl. v. 3.2.2010 – 2 Qs 1212/09; LG Göttingen, Beschl. v. 27.7.1995 – 5(6) S 405/94; LG Münster, Beschl. v. 29.3.1995 – 7 Qs 48/95; LG Detmold, Beschl. v. 2.3.1995 – 4 KLs 3 Js 388/94; AG Ahaus, Beschl. v. 16.3.1995 – 2 Gs 129/95; AG Frankfurt, Beschl. v. 25.8.2008 – 941 OWi 52/08; AG Moers, Beschl. v. 19.5.2000 – 5 Gs 237/00; AG Düsseldorf, Beschl. v. 16.8.1996 – 905 Js 2294/95 – 1 AR 104; AG Göttingen, Beschl. v. 3.1.1996 – 33 Gs 36/95; AG Münster, Beschl. v. 7.2.1995 – 2 Gs 3480/94).
Das ist auch die ganz einhellige Auffassung in der Lit. (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., Rn 9 zu § 299 ZPO m. w. Nachw.; Heussler, Gutachterliche Stellungnahme zur Aktenversendungspauschale, Institut für Anwaltsrecht der Universität Köln; Notthoff, AnwBl 1995, 538; Ganske, AnwBl 1995, 363; Schäpe, DAR 1996, 334, jeweils m. w. Nachw.).
Soweit ersichtlich hat neben dem AG Montabaur und dem LG Koblenz in den angefochtenen Entscheidungen bisher lediglich das AG Wernigerode in einem Beschl. v. 4.3.1997 – 8 Ds 187/96 die Auffassung vertreten, für den gerichtlichen Aufwand bei Zuleitung der Akten über ein im selben Gerichtsgebäude eingerichtetes Fach des Anwalts sei die Aktenversendungspauschale zu erheben.
Das hält auch der Senat für zutreffend.
Im rechtlichen Ausgangspunkt ist zu sehen, dass ein in den meisten Verfahrensordnungen vorgesehenes Akteneinsichtsrecht der Verfahrensbeteiligten nach den jeweils maßgeblichen Gesetzesbestimmungen nur bei den Gerichten wahrgenommen werden kann (§§ 147 StPO, 299 ZPO).
Allerdings sollen nach § 147 Abs. 4 StPO dem Verteidiger, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, die Akten mit Ausnahme der Beweisstücke zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitgegeben werden. Dazu hat das BVerfG in seinem Beschl. v. 6.3.1996 – 2 BvR 386/96 – bemerkt, dass die Aktenversendung an den Rechtsanwalt eine an sich vom Gesetz nicht umfasste zusätzliche Leistung des Gerichts darstellt, die erfahrungsgemäß mit zusätzlichen Kosten wie Verpackungs- und Transportkosten verbunden ist, die sich angesichts des Umfangs, in dem in der Praxis Aktenversendungen beantragt werden, zu einer nicht unerheblichen Belastung für die Justizhaushalte summieren. Die Erhebung einer Auslagenpauschale für die Aktenversendung in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hat das BVerfG daher als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen.
Für den Zivilprozess trifft § 299 ZPO keine § 147 Abs. 4 StPO entsprechende Regelung. Die Vorschrift kennt nur ein Aktenei...