Wie kaum ein anderer Kostentatbestand hat es die Aktenversendungspauschale der Nr. 9003 GKG-KostVerz. in kürzester Zeit zu einer ungeahnten Berühmtheit gebracht. Kaum ein Kostentatbestand hat so viele Richter, Anwälte, Rechtspfleger, Bezirksrevisoren, Rechtsschutzversicherer, Finanzbeamte, Steuerberater und sogar Verfassungsrichter beschäftigt. Fasst man die gesamten hierzu ergangenen Veröffentlichungen zusammen, dürfte diesen ein gehöriges Stück Regenwald zum Opfer gefallen sein. Dabei geht es nur um 12,00 EUR (anfangs 15,00 DM). Die Relation des zur Debatte stehenden Betrages steht damit in einem einzigartigen Missverhältnis zum Umfang der ihn beschäftigenden Rechtsprechung und Literatur. Nicht einmal die "doppelte Postentgeltpauschale" in Straf- und Bußgeldsachen kann hier mithalten.
Eingeführt worden ist die Aktenversendungspauschale zum 1.7.1994. Damit begannen dann auch die Probleme.
Einzig unstreitig geblieben ist, dass bei persönlicher Abholung durch den Anwalt keine Pauschale anfällt. Auch dies musste allerdings mehrfach gerichtlich entschieden werden (LG Detmold NJW 1995, 2801; LG Göttingen AnwBl 1995, 570).
Strittig war die Frage, ob die Aktenversendungspauschale auch dann anfällt, wenn die Akten beim Gericht in ein Gerichtsfach gelegt werden. Hier hatte sich die Rechtsprechung letztlich darauf eingeschossen, keine Aktenversendungspauschale zu erheben. Strittig blieb es jedoch, wenn sich das Gerichtsfach bei einem auswärtigen Gericht oder einer anderen Stelle befand (OLG Düsseldorf VRR 2010, 160 – die Entfernung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht betrug 200 m).
Auch die Frage, ob ein Vorschuss auf die Aktenversendungspauschale gefordert werden könne, war strittig (zu Recht verneinend: AG Soest AnwBl 1995, 152; AG Koblenz AnwBl 1995, 380; LG Tübingen AnwBl 1995, 569).
Darüber hinaus kamen dann findige Anwälte auf die Idee, wenn sie schon eine Aktenversendungspauschale zahlen müssten, dann könnten sie die Akten unfrei an das Gericht zurückschicken. Dies verfing jedoch leider nicht. Sendet der Rechtsanwalt die Akten "unfrei" zurück, muss er die Nachgebühren nach Nr. 9013 GKG-KostVerz. erstatten (OLG Naumburg AGS 2008, 468 = JurBüro 2008, 374 = NJW-RR 2008, 1666).
Auch das BVerfG hatte sich mehrfach mit der Frage befassen müssen, ob die Aktenversendungspauschale überhaupt verfassungsmäßig sei, was es dann bejaht hat (AnwBl 1996, 293 = NJW 1996, 2222 u. Beschl. v. 7.4.1997 - 2 BvR 411/97).
Bei der Abrechnung, der Kostenfestsetzung und insbesondere der Vergütungsfestsetzung gegenüber der Staatskasse stellte sich dann anschließend die Frage, wie diese abzurechnen sei, also ob die Aktenversendungspauschale bereits mit der Postentgeltpauschale nach Nr. 7002 VV abgegolten sei oder ob es sich unter Umständen um allgemeine Geschäftskosten nach Vorbem. 7 Abs. 1 VV handele, die gar nicht gesondert abgerechnet werden können. Hier hat die ganz überwiegende Rechtsprechung eine gesonderte Abrechnung für zulässig gehalten. Standhaft dagegen hält sich nach wie vor das LG Leipzig (NStZ-RR 2000, 319; RVGreport 2010, 182), das die Aktenversendungspauschale als mit der Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV abgegolten ansieht.
Des Weiteren stellte sich die Frage, wer denn nun Schuldner der Aktenversendungspauschale sei, der Anwalt oder die Partei, was von der Rechtsprechung dahin entschieden wurde, dass es der Anwalt sei.
Hatte man nunmehr gedacht, jetzt seien endlich sämtliche Fragen erledigt, kam ein findiger Finanzbeamter darauf, dass die Aktenversendungspauschale mit Umsatzsteuer zu belegen sei, was an sich offensichtlich war, aber bislang niemand bemerkt hatte. Ungeachtet der Erlasse der Finanzbehörden sah sich hier jedes kleinste Gericht und jeder Bezirksrevisor veranlasst, steuerrechtliche Ergüsse von sich zu geben, weshalb die Aktenversendungspauschale nicht der Umsatzsteuer unterliege. Auch die Rechtsschutzversicherer ließen sich zum Teil wegen 2,28 EUR Umsatzsteuer verklagen, weil sie es nicht einsahen, Umsatzsteuer darauf zu zahlen. Hier musste schließlich der BGH wegen 2,28 EUR für Rechtsfrieden sorgen.
Findige Anwälte meinten dann, sie könnten die Umsatzsteuer umgehen, wenn der Mandant die Kosten selbst zahlen würde, was aber auch nicht verfing, da das Umsatzsteuerrecht nicht nach dem Zahlenden fragt, sondern nach dem Zahlungspflichtigen.
Wer nun erhofft hatte, dass nach der Entscheidung des BGH zur Umsatzsteuerpflicht sämtliche Fragen geklärt seien, sieht sich durch den erneuten Vorstoß des OLG Koblenz (S. 83 in diesem Heft) getäuscht. Das OLG ist der Auffassung, die Aktenversendungspauschale sei entgegen der bisherigen fast einhelligen Rspr. doch zu erheben, wenn die Akten in ein Gerichtsfach gelegt würden. Es beruft sich darauf, dass mit der Aktenversendungspauschale ja nicht nur die Versendung abgegolten werde, sondern auch die weitere Tätigkeit, z.B. Anlegen eines Retents u.a. Dabei verkennt es jedoch, dass ein Retent auch dann anzulegen ist, wenn der Anwalt die Akten auf der Geschäftsstelle persönlich abholt. Wür...