GKG § 42 ZPO §§ 3, 6, 9
Leitsatz
- Der Wert des Beschwerdegegenstands für den auf Wiedereinräumung des Besitzes verurteilten Vermieter bemisst sich gem. § 8 ZPO nach der Miete für die streitige Zeit und nicht gem. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert des herauszugebenden Objekts.
- Lässt sich die streitige Zeit nicht ermitteln, so ist diese in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO mit dem 3,5-fachen Jahresbetrag zu bemessen.
- Der Kostenaufwand des Vermieters zur Erfüllung der Räumungspflicht ist nicht zusätzlich zu bewerten.
BGH, Beschl. v. 22.1.2013 – VIII ZR 104/12
1 Sachverhalt
Im Rahmen einer Neugestaltung des Innenhofs der Wohnanlage hatte die beklagte Wohnungsbaugenossenschaft die 92,92 m² große Gartenfläche der Klägerin in Besitz genommen und dort vorhandene Gegenstände, Pflanzen, Büsche und Hecken beseitigt, was zu einer Zerstörung der Gartenanlage der Klägerin führte. Einen Teil der Fläche bezog die Beklagte in die Gemeinschaftsfläche des Innenhofs ein und errichtete darauf ein Kinderkarussell. Der Klägerin verblieb eine Restfläche von ca. 56 m². Die Klägerin verlangte daraufhin die Wiedereinräumung des vollständigen Besitzes an der Gartenfläche sowie die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Das AG hatte die Klage abgewiesen. Das LG hat die Beklagte durch Teilurteil zur Wiedereinräumung des Besitzes an der Gartenfläche mit einer Größe von 92,92 m² verurteilt und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die der BGH als unzulässig verworfen hat.
2 Aus den Gründen
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000,00 EUR nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde hält die Beklagte durch die vom Berufungsgericht im Teilurteil ausgesprochene Verurteilung, die mit der Revision in vollem Umfang angegriffen werden soll, in Höhe eines von ihr mit 59.256,00 EUR angegebenen Grundstückwerts der an die Klägerin herauszugebenden Teilfläche des Gartens für beschwert. Sie macht darüber hinaus geltend, der mit der Herausgabe verbundene Kostenaufwand betrage 20.191,92 EUR. Dieser nach § 3 ZPO zu bemessende Wert sei gem. § 5 ZPO hinzuzurechnen.
2. Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde sind die Voraussetzungen des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erfüllt. Der Wert der Beschwer der Beklagten bemisst sich nicht gem. § 6 ZPO nach dem (Verkehrs-)Wert der streitigen Teilfläche des Gartens, deren Besitz die Klägerin zurückverlangt. Maßgeblich sind vielmehr die §§ 8, 9 ZPO. Auf die Höhe der mit der Wiedereinräumung des Besitzes verbundenen Kosten kommt es in diesem Fall nicht an.
a) Bei einem – hier gegebenen – Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Besitz(wieder)einräumung ist der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht nach § 6 ZPO, sondern nach der Sondervorschrift des § 8 ZPO zu bestimmen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.1993 – LwZB 6/93, NJW-RR 1994, 256; Senatsbeschl. v. 12.3.2008 – VIII ZB 60/07, WuM 2008, 296; Schneider/Herget/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 13. Aufl., Rn 3874 f.; MüKoZPO/Wöstmann, 4. Aufl., § 6 Rn 3; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 6 Rn 5; BeckOK-ZPO/Wendtland, Stand 30.10.2012, § 6 Rn 3; vgl. auch Senatsbeschl. v. 22.11.2005 – VIII ZB 34/05, WuM 2006, 45; BGH, Beschl. v. 16.3.2012 – LwZB 3/11, NJW-RR 2012, 110). Lässt sich – wie hier – die streitige Zeit nicht ermitteln, ist § 9 ZPO für die Berechnung der Beschwer entsprechend anwendbar (Senatsbeschl. v. 12.3.2008 – VIII ZB 60/07, a.a.O.). Gem. § 9 ZPO bemisst sich die Beschwer der Beklagten nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag der auf den streitigen Teil der Gartenfläche entfallenden Miete (vgl. Senatsbeschl. v. 12.3.2008 – VIII ZB 60/07, a.a.O.). Wie hoch dieser Anteil der Miete im vorliegenden Fall zu bemessen ist, kann offen bleiben. Denn selbst der 3,5-fache Jahresbetrag der gesamten Kaltmiete von 370,69 EUR monatlich liegt unterhalb der Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO.
b) Anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint, steht einer Anwendung der §§ 8, 9 ZPO nicht entgegen, dass zwischen den Parteien aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Vorprozesses außer Streit steht, dass die gesamte Gartenfläche von 92,92 m² Bestandteil des Nutzungsvertrags ist. Denn Streit besteht gleichwohl weiterhin jedenfalls über den Umfang der aus dem Nutzungsvertrag folgenden Gebrauchsgewährungspflicht der Beklagten (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 22.11.2005 – VIII ZB 34/05, a.a.O.; Schneider/Herget/Kurpat, a.a.O. Rn 3874 f.; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 8 Rn 3; vgl. demgegenüber MüKoZPO/Wöstmann, a.a.O., § 8 Rn 9), insbesondere über die Frage, ob diese Pflicht hinsichtlich der streitigen Teilfläche des Gartens durch die aus dem Genossenschaftsverhältnis der Parteien folgende Treuepflicht eine Einschränkung erfährt.
c) Nicht zu folgen ist der Nichtzulassungsbeschwerde auch insoweit, als sie meint, einer Anwendung der §§ 8, 9 ZPO stehe – da vorliegend ebenfalls eine Hauptleistungspflicht betroffen sei – ein Beschl. d. XII. Zivilsenats des BGH v. 19.6.2002 en...