In kaum einem anderen Land der Erde ist das Recht der Kostenerstattung so differenziert geregelt und von Rechtsprechung und Wissenschaft durchdrungen wie in Deutschland. Mit der typischen deutschen Gründlichkeit wird hier die Erstattungsfähigkeit und Notwendigkeit von Kosten geprüft. Dieses Prozedere wird häufig mit Fug und Recht als "Erbsenzählerei" bezeichnet. Spötter behaupten sogar, dass manche Rechtspfleger die Erbsen noch teilen, bevor sie sie zählen.

In diesem Heft finden sich gleich mehrere Entscheidungen, in denen das Gericht Kosten sparende Rechtspfleger bzw. Bezirksrevisoren in die Schranken weisen musste.

So wurde allen Ernstes vor dem AG Köln im Falle eines Freispruchs in Straf- und Bußgeldverfahren bislang die Auffassung vertreten, die Aktenversendungspauschale für die Einsichtnahme des Verteidigers in die Gerichtsakten sei – auch für auswärtige Beschuldigte oder Betroffene – nicht notwendig, denn sie hätten ja einen ortsansässigen Anwalt beauftragen können, der beim AG bzw. LG Köln ein Gerichtsfach unterhält, sodass die Gerichtsakten dort hätten eingelegt werden können und die 12,00 EUR Aktenversendungspauschale nicht entstanden wäre. Zumindest wäre es dem Verteidiger möglich, die Straf- oder Bußgeldakten auf der Geschäftsstelle einzusehen, um damit die Versendung generell zu ersparen.

Wie ein bislang unbescholtener Bürger, der Opfer eines Straf- oder Bußgeldverfahrens geworden ist, wissen soll, dass überhaupt Aktenversendungspauschalen erhoben werden und dass diese nicht anfallen, wenn die Akten in ein Gerichtsfach des Anwalts gelegt werden, hat das AG Köln nicht verraten. Abgesehen davon haben nicht alle Kölner Anwälte ein Gerichtsfach beim AG/LG, sodass der Betroffene oder Beschuldigte dann auch erst noch bei der Wachtmeisterei nachfragen müsste, ob der Anwalt, den er mit seiner Verteidigung beauftragen will, überhaupt ein Gerichtsfach hat, da er anderenfalls von dessen Mandatierung absehen müsse.

Das AG Ludwigsburg hat in einer anderen Entscheidung die Reisekosten der Partei zum Termin zur mündlichen Verhandlung mit der Begründung abgelehnt, dass der Anwalt, der am selben Ort kanzleiansässig ist, bereits mit dem Auto zum Termin angereist sei. Es wäre daher ohne weiteres möglich gewesen, zusammen zu fahren, und man hätte damit die gesonderten Reisekosten der Partei ersparen können.

Hier erscheint schon fraglich, wie man dies der Partei entgegenhalten will. Der Anwalt entscheidet schließlich, ob er die Partei mitnimmt oder nicht. Kein Anwalt kann gezwungen werden, seine Partei mitzunehmen. Ein vernünftiger Anwalt unterlässt dies auch tunlich. Abgesehen von der Haftung möchte ein Anwalt erstens seine Ruhe haben, zweitens mit anderen Mandanten telefonieren, was im Beisein des Mandanten wegen der Verschwiegenheitspflicht gar nicht ginge, und drittens möchte er sich auf einer 550 km langen Rückfahrt nicht den ganzen Prozess und weshalb ihm in der mündlichen Verhandlung bitteres Unrecht geschehen sei vom Mandanten noch fünfmal erzählen lassen. Das LG Stuttgart hat daher die getrennte Anfahrt als erstattungsfähig angesehen, allerdings nicht, ohne vorher eine Vergleichsberechnung durchzuführen und dabei festzustellen, dass es für die Partei doch tatsächlich billiger gewesen wäre, mit der Deutschen Bahn zu fahren, anstatt mit dem eigenen Pkw, wobei es sich dann aber auch noch verrechnet hat, weil eine Partei 1. Klasse anreisen darf (§ 5 Abs. 1 JVEG) und sich nicht mit 2. Klasse begnügen muss.

Einen ähnlichen Versuch, Reisekosten zu sparen, hatte früher einmal ein Rechtspfleger beim LG Cottbus (AGS 2006, 463) unternommen. Dort hatten mehrere Anwälte aus derselben Kanzlei verschiedene inhaftierte Beschuldigte vertreten. Der Rechtspfleger war der Auffassung, die Anwälte hätten sich zwecks Besuchs ihrer Mandanten in der JVA abstimmen und gemeinsam zur JVA fahren müssen. Auch hier hat das Beschwerdegericht der Sparwut eine Absage erteilt.

In diese Richtung geht auch der Fall des AG Riesa (AGS 2012, 485), in dem einem Rechtsuchenden Beratungshilfe für die Beratung in einer Strafsache gewährt worden war. Dort wollte der Rechtspfleger die Kopiekosten für einen Aktenauszug des Verteidigers absetzen mit der Begründung, dass der Verteidiger den Besprechungstermin mit dem Mandanten auf den Tag hätte legen können, zu dem er die Akten zur Einsichtnahme erhalten hatte, damit er den Mandanten anhand der Originalakte beraten könne und keine Kopien anfertigen müsse.

Vielleicht sollte man Rechtspfleger künftig bei kommunalen Großprojekten wie dem Berliner Flughafenbau, der Hamburger Elbphilharmonie u.Ä. einsetzen und sich ihre Erfahrung und ihren Einfallsreichtum beim Kostensparen zunutze machen. Aber dort geht es ja nicht um Erbsen, sondern um Peanuts.

Autor: Norbert Schneider

Norbert Schneider

AGS 2/2014, S. II

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