StPO § 464a GKG-KostVerz. Nr. 9003
Leitsatz
- Ein Beschuldigter ist nicht gehalten, einen gerichtsansässigen Anwalt zu beauftragen, der ein Gerichtsfach unterhält, um damit die Kosten einer Aktenversendung zu ersparen.
- Ein Verteidiger ist nicht gehalten, Einsicht in die Gerichtsakten auf der Geschäftsstelle zu nehmen, sondern darf sich diese auch unter kostenerstattungsrechtlichen Gesichtspunkten zur Einsichtnahme in seine Kanzleiräume übermitteln lassen.
AG Köln, Beschl. v. 20.12.2013 – 535 Ds 44/13
1 Sachverhalt
Der in Köln wohnende Angeschuldigte, der vor dem AG Köln angeklagt worden war, hatte eine Verteidigerin aus Düsseldorf beauftragt. Dieser wurden auf ihren Antrag die Gerichtsakten zur Einsichtnahme in ihre Kanzlei übersandt. Hierfür wurde eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR nach Nr. 9002 GKG KostVerz. erhoben. Nach Einstellung des Verfahrens auf Kosten der Staatskasse meldete der Angeklagte die ihm entstandenen notwendigen Auslagen zur Erstattung an, darunter auch die Aktenversendungspauschale, die die Verteidigerin an die Landeskasse gezahlt hatte.
Die Rechtspflegerin setzte die angemeldeten 12,00 EUR antragsgemäß fest. Die hiergegen eingelegte Erinnerung, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat, hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen (Nichtabhilfeentscheidung)
Die Akteneinsicht, insbesondere im Strafverfahren, ist für eine ordentliche Verteidigung notwendig. Daher sind auch die daraus entstehenden Kosten notwendig und damit erstattungsfähig. Wie und wo, also ob auf der Geschäftsstelle oder in seiner Kanzlei, der Verteidiger Akteneinsicht nimmt, bleibt dem Verteidiger überlassen.
Aus den Gründen (Entscheidung des Richters)
Die zulässige befristete Erinnerung, die sich gegen die Festsetzung der Aktenversendungspauschale richtet, ist unbegründet. Denn diese Pauschale ist zu Recht festgesetzt worden.
Die Kosten für die Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR sind im vorliegenden Verfahren als notwendige und daher im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens erstattungsfähige Kosten anzusehen. Dem Angeschuldigten, gegen den das Verfahren nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, sind lt. Beschluss gem. § 467 StPO die notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten. Zu den notwendigen Auslagen gehören gem. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Bei der Aktenversendungspauschale, die im Rahmen der für ein Strafverfahren zur Verteidigung des Angeklagten erforderlichen Akteneinsicht anfällt, handelt es sich im konkreten Fall um notwendige, nämlich zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderliche und damit vom Mandanten zu erstattende Auslagen i.S.d. § 91 Abs. 2 ZPO. Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten i.S.d. § 91 ZPO notwendig waren, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, die kostengünstigste Maßnahme auszuwählen (BGH v. 16.2.2002 – VIII ZB 30/02). In der RSpr. ist anerkannt, dass der Rechtsanwalt diese Kosten im Rahmen des mit dem Mandanten bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrages gem. § 670, 675 BGB erstattet verlangen kann (vgl. auch LG Berlin, Beschl. v. 17.5.1997 – 510 Qs 46/97; AG Lahr, Urt. v. 13.3.2008 – 6 C 33/08). Dies gilt im konkreten Verfahren auch für die Erstattung dieser Kosten durch die Landeskasse. Im konkreten Fall, in dem der angeklagte Mandant am Ort des Gerichts wohnt und mit einer Verteidigung einen nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hat, gehört die Aktenversendungspauschale ebenfalls zu den erstattungsfähigen notwendigen Auslagen i.S.d. § 91 Abs. 2 ZPO. Denn ein auswärtiger Verteidiger kann das Recht auf Akteneinsicht vernünftigerweise und sachdienlich nur durch die Übersendung der Akte ausüben; er kann im Rahmen der ihm obliegenden Geschäftsführung angesichts des damit verbundenen Aufwands nicht verpflichtet werden, die Strafakte auf der Geschäftsstelle einzusehen. Die Möglichkeit, ein Postfach vorzuhalten, besteht ohnehin nur für einen ortsansässigen Verteidiger. Ein Angeklagter ist grundsätzlich auch berechtigt, einen Verteidiger seiner Wahl und seines Vertrauens mit seiner Verteidigung zu beauftragen; er kann daher auch nicht grundsätzlich verpflichtet werden, nur einen Verteidiger am Ort des Gerichts zu beauftragen.
Die beantragte Versendung der Akte und damit der Anfall der aktenversendungspauschale stellt im Rahmen eines solchen Mandates daher eine zweckentsprechende, sachdienliche und damit notwendige Maßnahme dar.
Angesichts der relativ geringen Kosten in Höhe von 12,00 EUR für die Wahrnehmung des im Strafprozesses unerlässlichen Rechts auf Akteneinsicht und unter Abwägung der Interessen des Mandanten an einer Verteidigung durch einen von ihm frei gewählten Verteidiger und der Berufsau...