RVG § 59 Abs. 1 ZPO §§ 122 Abs. 1 Nr. 1b, 123, 126
Leitsatz
Die Staatskasse kann die nach § 59 Abs. 1 RVG auf sie übergegangenen Vergütungsansprüche eines dem obsiegenden Verfahrensbeteiligten beigeordneten Rechtsanwalts nicht oder nur im Rahmen einer bestehenden Ratenzahlungsverpflichtung gegen den erstattungspflichtigen Verfahrensbeteiligten geltend machen, wenn auch diesem Verfahrenskostenhilfe bzw. Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist (Fortführung des Senatsbeschl. v. 24.1.2001 – 11 WF 523/10, MDR 2001, 596 = JurBüro 2001, 310 = FamRZ 2001, 1156; entgegen BGH NJW-RR 1998, 70 = MDR 1997, 887 = FamRZ 1997, 1141 u. OLG Dresden FamRZ 2010, 583).
OLG München, Beschl. v. 1.8.2013 – 11 WF 1178/13
1 Sachverhalt
Dem Antragsteller zu 2) ist im ersten Rechtszug mit Beschluss des AG Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt worden. Im Beschwerdeverfahren hat ihm das OLG ebenfalls Verfahrenskostenhilfe gewährt, jedoch mit der Verpflichtung, monatliche Raten i.H.v. je 115,00 EUR an die Landesjustizkasse zu zahlen. Nachdem der Antragsteller zu 2) der Ratenzahlungsverpflichtung nicht nachgekommen war, hat das AG mit Beschluss der Rechtspflegerin die vom OLG bewilligte Verfahrenskostenhilfe aufgehoben.
Die Kostenbeamtin beim AG hat daraufhin mit der Schlusskostenrechnung vom Antragsteller zu 2) zunächst Gerichtskosten und Auslagen i.H.v. 2.160,94 EUR eingefordert. Dessen Erinnerung hat sie insoweit teilweise abgeholfen, als dem Antragsteller zu 2) nunmehr noch ein Betrag von 1.172,22 EUR zu Soll zu stellen ist. Zur Höhe der anzusetzenden Gebühren und Auslagen wird auf die Gründe dieses Beschlusses Bezug genommen. Die weiter gehende Erinnerung des Antragstellers zu 2) hat das AG zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller zu 2) mit seiner als Beschwerde zu behandelnden "Erinnerung". Zur Begründung wird ausgeführt, der Beschluss sei nicht verständlich. Es treffe nicht zu, dass die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die zweite Instanz für den Antragsteller zu 2) aufgehoben worden sei. Nachdem dem Antragsteller zu 2) für die erste Instanz ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei, hätten die Kosten für den Verfahrensbeistand i.H.v. 350,00 EUR sowie die Rechtsanwaltsvergütung der ersten Instanz i.H.v. 349,56 EUR nicht angesetzt werden dürfen. Für die zweite Instanz sei kein Verfahrensbeistand bestellt worden.
2 Aus den Gründen
Die nach § 57 Abs. 2 S. 1 FamGKG zulässige Beschwerde des Antragstellers zu 2) hat auch in der Sache teilweise Erfolg und führt dazu, dass die Schlusskostenrechnung des AG über die bereits erfolgte Teilabhilfe hinaus um den weiteren Betrag von 349,56 EUR zu ermäßigen sein wird. Die Beschwerde konnte in zulässiger Weise auf neue Tatsachen gestützt werden.
1. Die Kostenbeamtin beim AG hat im Teilabhilfebeschluss gem. § 59 RVG eine auf die Staatskasse übergegangene Rechtsanwaltsvergütung für die erste Instanz i.H.v. 349,56 EUR gegen den Antragsteller zu 2) angesetzt. Diesem war jedoch für den ersten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden, die auch weiterhin Bestand hat, nachdem sich der Beschluss der Rechtspflegerin nur auf die vom OLG bewilligte Verfahrenskostenhilfe und damit allein auf die zweite Instanz bezieht.
a) Es trifft zu, dass auch der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist und dass die Staatskasse an deren Verfahrensbevollmächtigte für die erste Instanz eine Verfahrenskostenhilfevergütung i.H.v. 699,12 EUR (316,18 EUR + 382,94 EUR) ausbezahlt hat. Der Vergütungsanspruch, der der beigeordneten Rechtsanwältin gem. § 126 Abs. 1 ZPO gegen die Antragsteller zustand, ist damit gem. § 59 Abs. 1 RVG auf die Staatskasse übergegangen und hätte grundsätzlich zur Hälfte vom Antragsteller zu 2) im Wege der Kosteneinziehung eingefordert werden können (§ 59 Abs. 2 S. 1 RVG).
b) Die Frage, ob die Staatskasse die auf sie übergegangenen Vergütungsansprüche eines beigeordneten Rechtsanwalts auch dann gegen den Verfahrensgegner geltend machen kann, wenn auch diesem – wie im vorliegenden Fall – Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde, ist in Rspr. und Lit. streitig.
aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Anspruch der Staatskasse sei unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe auch für den Gegner durchsetzbar, weil § 123 ZPO die Wirkungen der Prozesskostenhilfe auf die Gerichtskosten und die eigenen außergerichtlichen Kosten der Partei beschränke. Die Regelung in § 122 Abs. 1 Nr. 1b ZPO beziehe sich nur auf das originäre Verhältnis der Staatskasse zu der Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt worden sei (BGH NJW-RR 1998, 70 = FamRZ 1997, 1141 = MDR 1997, 887; OLG Dresden FamRZ 2010, 583; OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 2002; OLG Zweibrücken FamRZ 2008, 2140; OLG Köln NJW-RR 2004, 439 = FamRZ 2004, 37; OLG Nürnberg MDR 2008, 233; OLG Koblenz MDR 2008, 172; MüKo ZPO/Motzer, 4. Aufl., § 122 Rn 13).
bb) Der Senat hat dagegen mit Beschl. v. 24.1.2001 – 11 WF 523/01 (MDR 2001, 596 = JurBüro 2001, 310 = FamRZ 2001, 1156) entschieden, dass ...