Einführung
Durch das am 1.1.2014 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts wurde das Gebiet des Beratungshilferechts nicht nur reformiert, sondern auch seiner größten Änderung seit Bestehen des Gesetzes unterzogen. In die Änderungen sollten die Erfahrungen mit dem Gesetz der letzten 30 Jahre einfließen, die Rechtslage sollte für alle Beteiligten gestärkt werden, die Verlässlichkeit auf den Erhalt der Gebühren für den Rechtsanwalt sollte sich stärker wiederfinden, aber letztlich sollte auch alles transparenter und "besser" geregelt werden, um so auch Einsparungen erreichen und Missbrauch ausschließen zu können. Das Gesetz ist nun seit mehr als einem Jahr in Kraft. Zeit genug, rückblickend zu betrachten, welche "Richtung" die Beratungshilfepraxis, aber auch die Rspr. eingeschlagen hat.
I. Allgemeines
Wenngleich auch vieles durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts verändert wurde, bleibt das Kernprojekt identisch. Durch staatliche Rechtsbetreuung soll jedem Bürger möglichst weitgehend Chancengleichheit – auch außergerichtlich – bei der Wahrnehmung seiner Rechte unabhängig von seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gewährleistet werden. Das Gesetz will somit jedem Bürger die Verfolgung seiner "berechtigten" Interessen ermöglichen, unabhängig von seinen finanziellen Mitteln, und somit Hürden und Hemmschwellen abbauen. Liest man § 1 BerHG in der Fassung vor dem 1.1.2014 und in der Fassung danach, fällt zwar auf, dass kleinere Formulierungen geändert und Ergänzungen vorgenommen wurden. Im "Kern" des Ganzen bleibt die Zielsetzung des Beratungshilfegesetzes aber gleich. Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a EGZPO (Beratungshilfe) wird auf Antrag daher gewährt, wenn
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der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, |
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nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist, |
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die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint. |
In den folgenden Abschnitten sollen die einzelnen Voraussetzungen nochmals betrachtet werden. Schwerpunkt der Betrachtung soll dabei die Entwicklung der Rspr. seit dem 1.1.2014 bilden.
II. Die einzelnen Voraussetzungen
1. Rechtswahrnehmung
Rechtswahrnehmung bedeutet, dass nicht jeder allgemeine Rat von der Beratungshilfe abgedeckt sein soll, auch wenn das Rechtsgebiet grundsätzlich in den Bereich des Beratungshilfegesetzes fällt, sondern nur, wenn es notwendig ist und es sich hierbei um Probleme handelt, bei denen juristischer Rat unumgänglich ist. Diese Feststellung wurde durch die aktuelle Reformbegründung nochmals bekräftigt. Reine Schreibhilfen, Lesehilfen, Verständigungshilfen oder Verständnishilfen sollen in der Regel keine Rechtswahrnehmung darstellen. Das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts brachte hier keine Neuerungen. Die Begrifflichkeit "Rechtswahrnehmung" und ihre Auslegung haben sich durch die Reform nicht verändert. Die bisherige Rspr. findet daher weiter Beachtung. Neuere relevante oder richtungsweisende Entscheidungen zu dieser Problematik liegen in 2014 nicht vor.
2. Außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens
Auch die Problematik um die Frage, wann eine Beratungshilfe zulässigerweise noch "außerhalb" eines gerichtlichen Verfahrens gewährt wird, oder ob sie bereits innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens unzulässigerweise gewährt werden soll, war vor der Reform bereits bekannt und blieb unverändert. Beratungshilfe kann nur außerhalb gerichtlicher Verfahren gewährt werden. Die Definition, in welchem Fall noch eine außergerichtliche Tätigkeit vorliegt oder bereits das gerichtliche Verfahren in Gang gesetzt wurde, bzw. welche Tätigkeit bereits von dem "gerichtlichen Mandat" abgedeckt wird, variiert dabei weiterhin. Hier ist letztlich auch das Verhalten des Rechtsuchenden maßgeblich. Agiert er "passiv", kann durchaus nach Teilen der Lit. (Anm.: andere Ansichten sind selbstverständlich auch vertretbar) noch von einem Verfahren außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens ausgegangen werden, selbst wenn ein solches anhängig sein sollte. Agiert er "aktiv", dürfte unbestritten ein gerichtliches Verfahren vorliegen. Thematisiert wurde diese Frage lediglich am Rande. Beratungshilfe kann nach Gregor im Strafverfahren sowohl dem Beschuldigten/Betroffenen als auch dem Geschädigten zugestanden werden. Für den Beschuldigten ist Beratu...