Leitsatz
Ist einer Partei vor der Streitwertfestsetzung im Urteil kein rechtliches Gehör gewährt worden, so kann sie dies und dass die ihrer Ansicht nach richtige Streitwertfestsetzung Auswirkungen auf die Kostengrundentscheidung hat, mit der Anhörungsrüge geltend machen. Da die Kostengrundentscheidung nicht nach § 319 ZPO berichtigt werden kann, steht der Partei ein anderer Rechtsbehelf nicht zur Verfügung.
OLG Naumburg, Urt. v. 26.6.2014 – 1 U 110/13
1 Sachverhalt
Mit dem am 19.7.2013 verkündetem Urteil hat das LG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 103.361,37 EUR nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Beklagte hat ihre Berufung vor Terminierung und ohne Antragstellung zurückgenommen. Die Klägerin hat (neben weiteren Zinsen auf den Betrag von 103.361,37 EUR) beantragt, die Beklagte zur Zahlung von weiteren 56.000,00 EUR zu verurteilen. Mit seinem am 30.1.2014 verkündeten Urteil hat der Senat die Berufung der Klägerin bis auf einen Teil der geltend gemachten Zinsforderung zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung lautet:
Die Kosten der ersten Instanz einschließlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens LG tragen die Klägerin zu 40 % und die Beklagte zu 60 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 34 % und die Beklagte zu 66 %.
Mit dem Urteil hat der Senat durch Beschluss den Streitwert für das Berufungsverfahren einheitlich auf die Gebührenstufe bis 170.000,00 EUR festgesetzt. Das Urteil wurde der Beklagten am 7.2.2014 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 7.2.2014 hat die Beklagte mit dem am 14.2.2014 beim OLG eingegangenen Schriftsatz eine Gehörsrüge erhoben.
Sie begründet die Gehörsrüge damit, dass sie vor der (endgültigen) Festsetzung des Streitwertes nicht gehört worden sei. Wäre sie gehört worden, hätte sie klargestellt, dass der Streitwert nur bis zur Rücknahme ihrer Berufung auf die Gebührenstufe bis 170.000,00 EUR festgesetzt werden konnte, für die Zeit danach nur noch auf den Betrag entsprechend dem Berufungsantrag der Klägerin. Bei richtiger Streitwertfestsetzung hätte dies zu ihren Gunsten Auswirkungen auf die Kostengrundentscheidung für das Berufungsverfahren.
Der Klägerin wurde rechtliches Gehör gewährt. Mit Beschl. v. 22.5.2014 hat der Senat mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet.
2 Aus den Gründen
Es ist festzustellen, dass das Verfahren wieder aufgenommen und fortgeführt wird (§ 321a Abs. 5 ZPO).
Die Gehörsrüge ist zulässig und begründet. Der BGH (Beschl. v. 30.7.2008 – II ZB 40/07 – [FamRZ 2008, 1925 f.]) hat entschieden, dass die Kostengrundentscheidung nicht gem. § 319 ZPO berichtigt werden kann, sodass der Beklagten ein anderweitiger Rechtsbehelf i.S.v. § 321a Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zur Verfügung steht.
Es liegt ein Verstoß gegen das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör vor, weil ihr keine Gelegenheit zur Stellungnahme vor der endgültigen Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren gegeben wurde. Die endgültige Wertfestsetzung erfolgt grundsätzlich nach Anhörung der Parteien (Hartmann, KostG, 44. Aufl., GKG, § 63, Rn 24 m.w.Nachw.).
Die Beklagte rügt zutreffend, dass der Streitwert für das Berufungsverfahren nur bis zur Rücknahme ihrer Berufung auf die Gebührenstufe bis 170.000,00 festgesetzt werden konnte. Für die Zeit danach war der Streitwert begrenzt auf den Berufungsantrag der Klägerin (Gebührenstufe bis 80.000,00 EUR). Wie die Kostenquote zu ermitteln ist, wenn vor einer abschließenden Entscheidung eine Berufung zurückgenommen wird, ist im Gesetz nicht geregelt. Der Senat folgt im Grundsatz der so genannten Mehrkostenmethode (dazu OLG Schleswig, Beschl. v. 3.9.2007 – 1 W 37/07, OLGR 2008, 89 – allerdings für eine teilweise Klagerücknahme in erster Instanz), wonach die Mehrkosten betragsmäßig zu ermitteln sind und in das Verhältnis zu den tatsächlich angefallenen Kosten gesetzt werden (vgl. dazu das Rechenbeispiel bei Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 10. Aufl., S. 94). Eins zu Eins lassen sich die Grundsätze nicht auf die vorliegende Konstellation übertragen. Grundsätzlich werden die Werte zweier Berufungen für den Streitwert addiert. Damit ließe sich aber nicht abbilden, dass sich die Gerichtskosten nach vollständiger Berufungsrücknahme vor Terminierung gem. Nr. 1221 GKG-KostVerz. von 4 auf 1 Gebühr ermäßigen. Dies gilt natürlich nur für die Berufung der Beklagten. Man kann das Problem dadurch umgehen, dass man die Gerichtskosten nach den Teilstreitwerten ermittelt und dann addiert. Zwar werden dann rechnerisch fünf Gebühren berücksichtigt, dies kann aber hingenommen werden, weil der Betrag hinter der 4-fachen Gebühr des addierten Betrages zurückbleibt. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr muss es allerdings bei der Addition der beiden Teilstreitwerte bleiben, weil diese mit der Einlegung der Berufung entstanden. Für die Terminsgebühr ist dann die bereits erfolgte Berufungsrücknahme zu berücksichtigen: