Leitsatz
Lässt der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte von seinem Anwalt im Rahmen der Schadensregulierung Akteneinsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten nehmen, sind die hierdurch entstandenen Kosten vom Schädiger grundsätzlich als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung zu erstatten.
AG Hannover, Urt. v. 9.1.2015 – 556 C 12061/14
1 Sachverhalt
Der Geschädigte hatte nach einem Verkehrsunfall, der unstreitig vom Gegner allein verschuldet worden war, seinen Anwalt auch damit beauftragt, Einsicht in die polizeilichen Ermittlungsakten zu nehmen. Hierdurch sind eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR (Nr. 9003 GKG-KostVerz.) angefallen sowie Kopiekosten (Nr. 7000 VV). Diese Kosten hat der Geschädigte anschließend zusammen mit den übrigen Rechtsverfolgungskosten (Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer) dem gegnerischen Versicherer als Schadensersatz in Rechnung gestellt. Der Versicherer hat sich geweigert, diese Kosten zu übernehmen. Er war der Auffassung, die Einsicht in die Ermittlungsakten sei aufgrund der unstreitigen Haftungslage nicht erforderlich gewesen. Abgesehen davon hat er bestritten, dass der Anwalt diese Aktenversendungspauschale bereits bezahlt habe. Das AG hat den Versicherer zur Zahlung der Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR verurteilt, nicht dagegen zum Ersatz der Kopiekosten.
2 Aus den Gründen
Unstreitig haftet die Beklagte dem Grunde nach in vollem Umfang für die durch den Verkehrsunfall entstandenen Schäden des Klägers. Zu den grundsätzlich gern. § 249 BGB erstattungsfähigen Kosten gehören auch die Kosten der Rechtsverfolgung, mithin insbesondere die Rechtsanwaltskosten. Zu diesen wiederum gehören in Verkehrsunfallsachen regelmäßig auch die Kosten, die durch die Anforderung der Bußgeldakte entstehen. Denn die Einsichtnahme in die Bußgeldakte ist regelmäßig Voraussetzung für eine umfassende rechtliche Bewertung des Verkehrsunfallgeschehens durch den Rechtsanwalt, mit dem Ziel Schadenersatzansprüche des Geschädigten zügig geltend machen zu können. Zwar mag die Haftung des Schädigers und der Beklagten dem Grunde nach bereits am Unfalltag eindeutig gewesen sein und aus Sicht der Beklagten auch zu keinem Zeitpunkt im Streit gestanden haben. Ausdrücklich mitgeteilt hat die Beklagte ihre Auffassung dem Kläger jedenfalls nicht von vornherein. So ist die ausdrückliche Haftungsbestätigung dem Grunde nach erst mit Schreiben vom 12.11.2013 erfolgt
Für die Akteneinsteht ist unstreitig eine Gebühr in Höhe von 12,00 EUR angefallen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese 12,00 EUR dem Kläger bereits in Rechnung gestellt wurden. Denn auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist mit seiner Inanspruchnahme ohne Zweifel in naher Zeit zu rechnen, sodass im insoweit bereits ein Leistungsanspruch zusteht.
Dass hinter dem Kläger eine Rechtsschutzversicherung steht, die die Kosten bereits beglichen hat, ist eine erkennbar ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung der Beklagten.
Darüber hinaus ist ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kopierkosten nicht gegeben, da weder dargelegt noch sonst für das Gericht ersichtlich ist, dass, zum einen Fotokopien überhaupt angefertigt wurden, zum anderen die Anfertigung von Fotokopien erforderlich war.
3 Anmerkung
Die vom Anwalt gezahlten und gegenüber der Partei abgerechneten Kosten einer gerichtlichen oder behördlichen Aktenversendung gehören zu den gesetzlichen Auslagen eines Anwalts und sind im Rahmen der Notwendigkeit zu erstatten.
Die Einsichtnahme in Gerichts- oder Behördenakten ist regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen.
Die Inanspruchnahme der Aktenversendung durch das Gericht ist gegenüber den Kosten einer Geschäftsreise des auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten zur Durchführung der Akteneinsicht an den Gerichtsort die wesentlich kostengünstigere Alternative zur Ausübung des Akteneinsichtsrechts.
Norbert Schneider
AGS 2/2015, S. 103 - 104