Leitsatz
Der obsiegenden Partei sind im Berufungsverfahren die Anwaltskosten auch dann zu ersetzen, wenn eine Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern i.S.v. § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG bereit gewesen wäre, die Vertretung unentgeltlich zu übernehmen.
BAG, Beschl. v. 18.11.2015 – 10 AZB 43/15
1 Sachverhalt
Die Klägerin machte im Ausgangsverfahren gegen die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin einen Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 203.000,00 EUR geltend. Das ArbG gab der Klage statt. Im zweiten Rechtszug einigten sich die Parteien vor dem LAG nach Begründung und Erwiderung der Berufung in einem gem. § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO geschlossenen Vergleich auf einen Abfindungsbetrag von 178.000,00 EUR. Der Vergleich enthält hinsichtlich der Kosten folgende Regelung: "Die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs hat die Beklagte zu 9/10, die Klägerin zu 1/10 zu tragen."
Die Klägerin ist Mitglied im Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der chemischen Industrie e.V. (VAA). Der VAA, der nach § 2 Abs. 3 S. 1 seiner Satzung seinen Mitgliedern Rechtsschutz in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gewährt, vertrat die Klägerin handelnd durch Herrn Assessor L im erstinstanzlichen Verfahren vor dem ArbG. Dieser verfügt auch über eine Zulassung als Rechtsanwalt. Nachdem die anwaltlich vertretene Beklagte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hatte, zeigte Herr L die zweitinstanzliche Vertretung der Klägerin in seiner Funktion als Rechtsanwalt an.
Nach Abschluss des Rechtsstreits durch den Vergleich beantragten beide Parteien Kostenfestsetzung. Mit Beschl. v. 4.4.2014 setzte das ArbG im Wege der Kostenausgleichung nach § 106 Abs. 1 ZPO die der Klägerin von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 7.570,46 EUR zuzüglich Zinsen und damit auf insgesamt 8.071,65 EUR fest. Dabei legte das ArbG die von den Parteien geltend gemachten Beträge zugrunde und berücksichtigte unter anderem die der Klägerin im Berufungsverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Beklagten hat das ArbG nicht abgeholfen. Das LAG hat sie zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Nachdem die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des ArbG angedroht hatte, zahlte die Beklagte nach Zustellung des Beschlusses des LAG unter Vorbehalt sowohl die festgesetzten Kosten nebst Zinsen als auch die von Herrn Rechtsanwalt L außergerichtlich geltend gemachten Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von weiteren 1.086,23 EUR. Später setzte Herr Rechtsanwalt L seine Gebührenrechnung für das Beschwerdeverfahren auf 355,81 EUR herab und zahlte 730,42 EUR an die Beklagte zurück. In dieser Höhe erklärte die Beklagte sodann das Rechtsbeschwerdeverfahren für erledigt.
Die Beklagte hat gemeint, Rechtsanwaltskosten für Herrn L seien nicht erstattungsfähig, da dessen Beauftragung als Rechtsanwalt nicht notwendig gewesen sei. Sie hat des Weiteren bestritten, dass Herr L einen Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltsgebühren gegen die Klägerin habe und von dieser oder vom VAA eine Zahlung an ihn erfolgt sei. Nach der im Vergleich getroffenen Kostenverteilung seien nur die der Beklagten entstandenen Kosten im Umfang der vereinbarten Quote erstattungsfähig.
Die Beklagte hat zuletzt beantragt:
1. die erstinstanzlich von der Klägerin an sie zu erstattenden Kosten auf 38,00 EUR und die zweitinstanzlich von der Klägerin an sie zu erstattenden Kosten auf 62,22 EUR festzusetzen;
2. die Klägerin zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 8.427,46 EUR (8.071,65 EUR Rechtsanwaltskosten des Berufungsverfahrens und 355,81 EUR Rechtsanwaltskosten des Beschwerdeverfahrens) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.3.2015 zu zahlen.
Die Klägerin hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, vom VAA seien die ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten übernommen worden. Sie sei berechtigt gewesen, sich zweitinstanzlich vor dem LAG durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
2 Aus den Gründen
Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde der Beklagten ist hinsichtlich der an Herrn L für das Beschwerdeverfahren gezahlten Rechtsanwaltsgebühren unzulässig und im Übrigen unbegründet. Das LAG hat zu Recht die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des ArbG zurückgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten Erstattung ihrer Rechtsanwaltskosten für das Berufungsverfahren verlangen.
I. Soweit die Beklagte die Rückerstattung der unter Vorbehalt gezahlten Rechtsanwaltsgebühren für das Beschwerdeverfahren begehrt, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig. Deshalb kommt auch keine einseitige Teilerledigungserklärung des hierauf bezogenen Rechtsbeschwerdeantrags in Betracht (vgl. BAG v. 5.9.1995 – 9 AZR 718/93 – zu A I 2 der Gründe, BAGE 80, 380; zur Erledigterklärung eines Rechtsmittels vgl. BGH v. 30.9.2009 – VIII ZR 29/09, Rn 10).
1. Der Beurteilung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegt grundsätzli...