Leitsatz
Die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV-GKG fällt nicht an, wenn die Akten zur Gewährung von Akteneinsicht mit einem regelmäßig verkehrenden Dienstwagen der Justiz an das Gerichtsfach des Rechtsanwalts bei einem auswärtigen Gericht übersandt werden.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.11.2015 – 2 Ausl AR 16/15
1 Sachverhalt
Rechtsanwalt L. hatte sich in dem von der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg betriebenen Auslieferungsverfahren als Beistand bestellt und die Gewährung von Aktensicht beantragt, die ihm gewährt wurde. Die Akten wurden in das Gerichtsfach des Beistands bei dem AG Fürth eingelegt. Da kein Nachweis für eine Postversendung vorhanden ist, ist davon auszugehen, dass die Akten mit dem täglichen Sammeltransport mit einem Dienstfahrzeug der Justiz zum AG Fürth verbracht wurden. Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg erhob vom Beistand eine Versendungspauschale von 12,00 EUR, gegen deren Ansatz der Beistand Erinnerung eingelegt hat. Er ist der Auffassung, dass die Versendungspauschale bei einer Akteneinlage in das Gerichtsfach nicht anfalle, auch wenn sich das Gerichtsfach in einem anderen Gebäude als die aktenversendende Dienststelle befinde.
Der Kostenbeamte der Generalstaatsanwaltschaft hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Die Bezirksrevisorin beim OLG beantragt in ihrer Stellungnahme unter Berufung auf den Beschluss des LG Kleve v. 28.4.2015 – 171 Ns 6/14, die Erinnerung zurückzuweisen. Danach falle die Versendungspauschale bei einer Einlage in ein Gerichtsfach bei einem auswärtigen Gericht an, unabhängig davon, ob der Aktentransport mit einem Dienstfahrzeug oder von Fremddienstleistern durchgeführt werde. Auch bei einem Sammeltransport mit einem Dienstfahrzeug fallen "bare Auslagen" (Benzin-, Anschaffungs- und Wartungskosten) an. Ein Einzelnachweis dieser Kosten sei aufgrund der Pauschalierung des Kostenersatzes gerade nicht erforderlich.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Erinnerung des Beistands gegen den Kostenansatz der Generalstaatsanwaltschaft hat in der Sache Erfolg.
1. Das OLG ist als Gericht des ersten Rechtszugs zuständig für die Entscheidung über die statthafte Erinnerung gegen den Kostenansatz der Generalstaatsanwaltschaft (§ 66 Abs. 1 GKG). Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss gem. § 66 Abs. 6 S. 2 GKG dem Senat zur Entscheidung übertragen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
2. Die Versendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KostVerz. kann nicht geltend gemacht werden, da Auslagen für Transport- und Verpackungskosten nicht angefallen sind.
Während nach der früheren Fassung der Nr. 9003 GKG-KostVerz. "die Pauschale für die Versendung von Akten auf Antrag" anzusetzen war, wurde die Regelung mit dem 2. KostRMoG v. 23.7.2013 dahingehend abgeändert, dass die Aktenversendungspauschale "für die bei der Versendung von Akten auf Antrag anfallenden Auslagen an Transport- und Verpackungskosten je Sendung" erhoben wird. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat die von ihm empfohlene Änderung damit begründet (BT-Drucks 17/13537, S. 268), dass damit "klarer zum Ausdruck kommen (soll), dass mit der Pauschale der Ersatz barer Auslagen gemeint ist".
Ungeachtet dessen, dass das gesetzgeberische Ziel, Klarheit zu schaffen, mit der Neufassung von Nr. 9003 GKG-KostVerz. nicht erreicht wurde, soll damit nach dem Willen des Gesetzgebers die Aktenversendungspauschale nur dann anfallen, wenn mit der Aktenversendung unmittelbare finanzielle Auslagen entstehen. Dies ist bei einem Aktentransport mit einem regelmäßig verkehrenden Dienstwagen der Justiz nicht der Fall (OLG Koblenz, Beschl. v. 20.3.2014 – 2 Ws 134/14; OLG Köln, Beschl. v. 16.10.2014 – 2 Ws 601/14 [= AGS 2014, 513]).
Der von der Bezirksrevisorin zitierte Beschluss des LG Kleve (Beschl. v. 28.4.2015 – 171 Ns 6/14, 171 Ns – 102 Js 229/13-6/14), das die Versendungspauschale auch dann für angefallen hält, wenn der Aktentransport mit einem Dienstfahrzeug durchgeführt wird, kann nicht zur Begründung einer anderen Auffassung herangezogen werden. Das OLG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung über die gegen den Beschluss des LG Kleve eingelegte Beschwerde (Beschl. v. 27.8.2015 – 4 Ws 117/15, Burhoff online [= AGS 2015, 572]) dargelegt, dass der Transport durch Justizbedienstete unter Verwendung von Dienstfahrzeugen allgemein durch die Personal- und Sachkosten der Gerichte gedeckt ist, deren Ersatz durch die Neuformulierung der Nr. 9003 GKG-KostVerz. ausgeschlossen werden sollen. Diese Auffassung teilt der Senat.
Die weiteren zu Nr. 9003 GKG-KostVerz. ergangenen, einen Kostenansatz befürwortenden Entscheidungen des OLG Saarbrücken (Beschl. v. 14.10.2015 – 1 Ws 164/15) und des OLG Bamberg (Beschl. v. 5.3.2015 – 1 Ws 87/15 [= AGS 2015, 278]) betreffen die nicht vergleichbaren Fälle der Aktenversendung mit einem privaten externen Dienstleister und einem externen Postdienstleister.
AGS 2/2016, S. 84