Leitsatz
- Für den Streitwert einer Feststellungsklage, mit der die Wirksamkeit eines vom Darlehensnehmer erklärten Widerrufs geklärt werden soll, ist das wirtschaftliche Interesse des klagenden Darlehensnehmers an der begehrten Feststellung maßgeblich.
- Dieses wirtschaftliche Interesse ist anhand des Klägervortrags unter Berücksichtigung der gegeneinander abzuwägenden Vor- und Nachteile bei Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des Widerrufs nach § 3 ZPO zu schätzen.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.10.2015 – 4 W 10/15
1 Sachverhalt
Die Kläger begehren mit ihrem erstinstanzlich zuletzt gestellten Antrag gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass sich mehrere Immobiliendarlehensverträge durch einen, Jahre nach Vertragsschluss, erklärten Widerruf in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt haben. Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Über die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten ist noch nicht entschieden.
Das LG hat den erstinstanzlichen Streitwert auf "bis 110.000,00 EUR" festgesetzt.
Hiergegen hat die Beklagte Beschwerde eingelegt, mit der sie beantragt, den Streitwert unter Abänderung der erstinstanzlich erfolgten Festsetzung auf 9.000,00 EUR festzusetzen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, den Klägern gehe es wirtschaftlich darum, aus den Verträgen entlassen zu werden und die noch offene Darlehensschuld – ohne Vorfälligkeitsentschädigung – zahlen zu können. Alternativ entspreche es der Vorstellung der Kläger, dass der bislang vereinbarte effektive Jahreszinssatz auf 2,5 % abgesenkt werde, bei neuerlicher 10-jähriger Zinsbindungsfrist. Dieses wirtschaftliche Interesse der Kläger ergebe sich aus einem außergerichtlichen Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten. Unter Berücksichtigung der Restlaufzeiten der vier streitgegenständlichen Darlehensverträge von knapp 4 Jahren zum Zeitpunkt des Widerrufs ergebe sich bei Absenken des Vertragszinses auf 2,5 % ein Zinsvorteil von allenfalls 18.500,00 EUR, eine Vorfälligkeitsentschädigung sei noch geringer. Bei Vornahme eines angemessenen Abschlages, der hier mindestens mit 50 % anzusetzen sei, weil auf Klägerseite mit der Feststellungsklage noch wenig erreicht werde, ergebe sich ein Streitwert von 9.000,00 EUR.
Auch die Prozessbevollmächtigten der Kläger haben ihrerseits Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des LG eingelegt mit dem Ziel, eine Heraufsetzung des Streitwerts auf einen Betrag von 162.267,46 EUR zu erreichen. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger vertreten die Ansicht, der Streitwert sei nach der Höhe der im Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch offenen Darlehensvaluta, wenn nicht sogar nach der Ausgangsvaluta anzusetzen. Mit der Klage habe – der Entscheidung des OLG Köln v. 18.11.2014 – 13 W 50/14 entsprechend – das Wesen des zwischen den Parteien bestehenden Schuldverhältnisses neu festgelegt werden sollen.
Das LG hat den wechselseitigen Streitwertbeschwerden der Parteien nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die Streitwertbeschwerde der Beklagten, mit der diese eine Herabsetzung des vom LG auf bis 110.000,00 EUR festgesetzten Streitwerts auf 9.000,00 EUR begehrt, ist gem. den §§ 68 Abs. 1 GKG, 567 ff. ZPO zulässig und hat in der Sache überwiegend Erfolg.
Die eigenen Namens eingelegte, gem. §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG, 567 ff. ZPO ebenfalls zulässige Beschwerde der Klägervertreter ist dagegen nicht begründet.
1. Gem. § 48 Abs. 1 GKG richtet sich der Gebührenstreitwert in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, d.h. nach §§ 3 ff. ZPO. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten hat das Gericht daher gem. § 3 ZPO den Wert nach freiem Ermessen festzusetzen. Der Wert eines Feststellungsbegehrens ist dabei nach dem wahren Interesse des Klägers an dem Urteil zu schätzen (BGH, Beschl. v. 1.6.1976 – VI ZR 154/75; Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 12. Aufl., § 3 Rn 6). Für den Streit um die Wirksamkeit des Widerrufs bedeutet dies, dass es auf die wirtschaftlichen Vorteile ankommt, die sich der Kläger infolge des Widerrufs im Gegensatz zur Erfüllung des Vertrages verspricht (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn 16 unter "Feststellungsklage"). Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls (Schneider/Herget/Onderka, Streitwertkommentar, 13. Aufl., Rn 6120 f.).
2. Vorliegend begehren die Kläger die Feststellung, dass sich die vier streitgegenständlichen Verbraucherdarlehensverträge über einen Gesamtbetrag von netto 180.700,00 EUR aufgrund des erklärten Widerrufs jeweils in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis nach §§ 346 ff. BGB umgewandelt haben. Die Frage, wie der Streitwert für ein solches Klagebegehren zu bestimmen ist, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt und in der Instanzrechtsprechung umstritten.
a) Die Rspr. des BGH zur Streitwertbemessung in Fällen der Rückabwicklung von Darlehensverträgen zur Finanzierung von Kapitalbeteiligungen, nach der sich der Gesamtstreitwert nach der Höhe d...