Leitsatz
Das Kriterium der Notwendigkeit i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO darf bei der Abrechnung von Reisekosten nicht zu einer Schlechterstellung von außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwälten führen. Diese können daher bei überschießenden Kosten zumindest denjenigen Betrag in Ansatz bringen, der bei Beauftragung eines bezirksansässigen Rechtsanwalts maximal entstanden wäre.
LG Heilbronn, Beschl. v. 21.10.2016 – 8 Qs 31/16
1 Aus den Gründen
Lediglich im Hinblick auf die geltend gemachten Reisekosten sind die im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Ausführungen unzutreffend. Nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die Reisekosten eines bezirksansässigen Rechtsanwalts stets, die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts jedoch lediglich insoweit erstattungsfähig, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Um eine Schlechterstellung von außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwälten zu vermeiden, welche vom Gesetzgeber auch nicht intendiert war (vgl. BT-Drucks 15/1971, 233), ist das Kriterium der Notwendigkeit i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO für auswärtige Rechtsanwälte so auszulegen, dass zumindest die Fahrtkosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen sind, da sich der Mandant auch eines bezirksansässigen Anwalts im äußersten Bereich hätte bedienen können (LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.2014 – 6 O 455/11 [= AGS 2015, 7]). Daher ist in jedem Gerichtsbezirk die Maximalentfernung zwischen dem Gerichtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Gemeinde zu ermitteln, wobei im Rahmen der abstrakt vorzunehmenden Berechnung der Weg maßgeblich ist, welcher entweder als ortsüblich gilt oder die schnellstmögliche Verbindung darstellt. Für den AG Heilbronn bedeutet dies, dass die Gemeinde J. den Bezugspunkt für die Wegstreckenberechnung darstellt und sich eine Maximalwegstrecke von 44 km ergibt.
Klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass es sich hierbei um eine Deckelung handelt und der auswärtige Anwalt nur seine tatsächlichen Fahrtkosten ansetzen kann, wenn die Entfernung seines Kanzleisitzes zum Gerichtsort geringer ist.
Vorliegend gilt entsprechend den vorgenannten Ausführungen Folgendes:
Nach Nr. 7003 VV sind die Fahrtkosten für jeden gefahrenen Kilometer mit 0,30 EUR anzusetzen. Ferner beträgt das Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 Nr. 1 VV 25,00 EUR. Insgesamt waren demnach 51,40 EUR anzusetzen. Dieser Betrag fiel damit um 13,90 EUR netto höher aus, als derjenige, welcher im angefochtenen Beschluss veranschlagt worden war.
2 Anmerkung
Mit dem LG Heilbronn hat erstmals auch ein Gericht in Strafsachen die Erstattungsrechtsprechung der h.M. (siehe Anmerkung zu der vorhergehenden Entscheidung des OLG Frankfurt) bestätigt. Häufig wird eingewandt, diese Rechtsprechung gelte nur in Zivilsachen, nicht aber auch in Strafsachen. Das ist jedoch zutreffend, da in Strafsachen § 91 Abs. 2 ZPO ebenfalls anzuwenden ist (§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO.
Norbert Schneider
AGS 2/2017, S. 102 - 103