ZPO § 91 Abs. 2 S. 2; RVG VV Vorbem. 3 Abs. 5
Leitsatz
§ 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt auch bei einem Anwaltswechsel zwischen selbständigem Beweisverfahren und nachfolgendem Hauptsacheverfahren
BGH, Beschl. v. 26.10.2017 – V ZB 188/16
1 Sachverhalt
Die Klägerin beantragte gegen die Beklagte die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Klärung der Ursache von Rissen und Feuchtigkeitsschäden an dem auf ihrem Grundstück aufstehenden Gebäude. In dem sich anschließenden Hauptsacheverfahren nahm die Klägerin die Beklagte auf Ersatz ihr entstandener Schäden und auf Beseitigung der Eigentumsstörung in Anspruch. Die Beklagte ließ sich hierbei von anderen Anwälten vertreten als von denjenigen, die sie in dem selbständigen Beweisverfahren mandatiert hatte. In dem klageabweisenden Urteil des LG wurden die außergerichtlichen Kosten der Beklagten der Klägerin auferlegt. Dieser Kostenausspruch wurde in dem im Berufungsverfahren geschlossenen Prozessvergleich aufrechterhalten.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte – soweit hier von Interesse – für die anwaltliche Vertretung in dem selbständigen Beweisverfahren und in dem Hauptsacherechtsstreit die Erstattung einer 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV i.H.v. jeweils 1.079,00 EUR nebst Umsatzsteuer beantragt. Das LG hat diese Kosten antragsgemäß festgesetzt. Auf die Beschwerde der Klägerin hat es im Wege der Abhilfe eine Reduzierung auf eine Verfahrensgebühr nebst Umsatzsteuer vorgenommen. Die von der Beklagten hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte ihren Anspruch auf Erstattung einer Verfahrensgebühr nebst Umsatzsteuer sowohl für das selbständige Beweisverfahren als auch für das Hauptsacheverfahren weiter.
2 Aus den Gründen
II. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die Beklagte grundsätzlich Anspruch auf Festsetzung der Kosten auch des selbständigen Beweisverfahrens habe, da die Parteien und der Streitgegenstand dieses Verfahrens und des Klageverfahrens identisch seien und deshalb die nach § 103 Abs. 1 ZPO erforderliche Kostengrundentscheidung vorliege. Die Klägerin müsse jedoch nicht auch die Kosten der zweiten anwaltlichen Verfahrensgebühr ersetzen. Dies folge allerdings nicht aus der Anrechnungsbestimmung gem. Vorbem. 3 Abs. 5 VV. Sie passe nur, wenn der Anwalt des Beweisverfahrens auch derjenige des Klageverfahrens sei. Bei einem Anwaltswechsel bleibe es dagegen bei dem doppelten Anfall der Verfahrensgebühr. Die Erstattungsfähigkeit der zweiten Verfahrensgebühr sei jedoch gem. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO ausgeschlossen. Die Beklagte habe den Anwaltswechsel nicht erläutert, obwohl sie zu einer entsprechenden Darlegung aufgefordert worden sei. Dass der im selbständigen Beweisverfahren tätig gewesene Rechtsanwalt nicht verpflichtet sei, auch das Klagemandat zu übernehmen, rechtfertige es entgegen der abweichenden Auffassung des OLG München (JurBüro 2016, 295) nicht, beide Verfahrensgebühren als erstattungsfähig anzusehen. Entsprechendes gelte für die weitere Überlegung, eine solche Verfahrensweise sei einfacher zu handhaben als die Anwendung von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO.
III. Die statthafte und auch i.Ü. zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 575 ZPO) ist nicht begründet. Das Beschwerdegericht verneint die Erstattungsfähigkeit von zwei Verfahrensgebühren (Nr. 3100 VV) nebst Umsatzsteuer zu Recht.
1. Wie das Beschwerdegericht zutreffend sieht, folgt dies allerdings nicht bereits aus dem Fehlen einer Kostengrundentscheidung gem. § 103 Abs. 1 ZPO. Nach der ständigen Rspr. des BGH werden die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens von der – hier zu Lasten der Klägerin ergangenen – Kostenentscheidung des sich anschließenden Klageverfahrens erfasst, wenn zumindest ein Teil der Streitgegenstände und die Parteien der beiden Verfahren identisch sind (BGH, Beschl. v. 27.8.2014 – VII ZB 8/14, NJW 2014, 3518 Rn 13 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
2. Auch die nach der Vorbem. 3 Abs. 5 VV gebotene Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens schließt die Geltendmachung beider Verfahrensgebühren nicht aus. Die Vorschrift ist im Streitfall nicht einschlägig, weil die Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens und die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens von verschiedenen Rechtsanwälten verdient worden sind (vgl. BGH, Beschl. v. 27.8.2014 – VII ZB 8/14, NJW 2014, 3518 Rn 19 m.w.N.; Beschl. v. 10.12.2009 – VII ZB 41/09, JurBüro 2010, 190, 191 zu der Anrechnungsvorschrift gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV).
3. Zutreffend geht das Berufungsgericht aber davon aus, dass die Beklagte sich gem. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO im Verhältnis zur Klägerin so behandeln lassen muss, als hätte sie für das selbständige Beweisverfahren und das Klageverfahren dieselben Rechtsanwälte beauftragt.
Gem. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person...