ZPO § 91 Abs. 2 S. 2; RVG VV Nrn. 3307, 3100
Leitsatz
§ 91 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt auch bei einem Anwaltswechsel zwischen dem Mahnverfahren und dem nachfolgenden streitigen Verfahren.
BGH, Beschl. v. 21.12.2017 – IX ZB 31/16
1 Sachverhalt
Die Klägerin machte gegen die Beklagten, die eine gemeinsame Anwaltskanzlei betreiben, Schadensersatzansprüche aus Anwaltshaftung geltend. In dem von der Klägerin betriebenen Mahnverfahren vertraten sich die Beklagten selbst. Nach Übergang in das streitige Verfahren beauftragten sie eine andere Rechtsanwaltskanzlei.
Das LG hat die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss hat das LG die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 4.016,80 EUR festgesetzt. Dabei hat es entsprechend dem Antrag der Beklagten auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 50.000,00 EUR eine 0,8-fache Verfahrensgebühr für das Mahnverfahren nach Nrn. 3307, 1008 VV i.H.v. 930,40 EUR berücksichtigt, ohne diese auf die ebenfalls festgesetzten Gebühren für das streitige Verfahren anzurechnen. Die von der Klägerin wegen der unterlassenen Anrechnung dieser Gebühr eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen (veröffentlicht in AGS 2016, 256). Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter, die Kostenfestsetzung um 930,40 EUR zu ermäßigen.
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde hat weitgehend Erfolg.
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Eine Anrechnung der im Mahnverfahren entstandenen Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr für den nachfolgenden Rechtsstreit nach Nr. 3307 S. 2 VV scheide aus, weil verschiedene Rechtsanwälte tätig geworden seien. I.Ü. betreffe diese Anrechnungsvorschrift nur das Innenverhältnis zwischen dem Mandanten und seinem Rechtsanwalt. Sie diene grundsätzlich nicht dem Schutz des Prozessgegners. Die erstattungspflichtige Gegenpartei könne sich im Falle eines Anwaltswechsels auch nicht auf die Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO berufen. Der Nichteintritt einer Gebührenersparnis sei nicht unter diese Norm zu fassen.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Mit Recht hat das Beschwerdegericht allerdings angenommen, dass die Verfahrensgebühr für die Vertretung des Antragsgegners im Mahnverfahren nach Nr. 3307 S. 1 VV nicht gem. S. 2 dieser Bestimmung auf die Verfahrensgebühr für das nachfolgende streitige Verfahren anzurechnen ist, wenn die Gebühren von verschiedenen Rechtsanwälten verdient sind (vgl. zur Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV: BGH, Beschl. v. 10.12.2009 – VII ZB 41/09, JurBüro 2010, 190, 191 [= AGS 2010, 52]; zur Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV: BGH, Beschl. v. 27.8.2014 – VII ZB 8/14, NJW 2014, 3518 Rn 19 [= AGS 2014, 538]; v. 26.10.2017 – V ZB 188/16, zVb Rn 6; zur Anrechnung nach Nr. 3307 VV: Mayer/Kroiß/Gierl, RVG, 7. Aufl., Nr. 3307 VV Rn 10). Dies gilt auch, wenn – wie im Streitfall – ein Rechtsanwalt sich zunächst selbst vertreten und nach § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO Anspruch auf Gebührenerstattung wie im Falle der Mandatierung durch einen Dritten hat.
b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts findet im Streitfall jedoch die Bestimmung des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO Anwendung.
aa) Gem. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Die Regelung in § 91 ZPO betrifft die Kosten des Rechtsstreits. Anwaltsgebühren für eine außergerichtliche Tätigkeit gehören nicht zu diesen Kosten. Wird eine Partei vorprozessual von einem anderen Rechtsanwalt als im Rechtsstreit vertreten, beschränkt § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO deshalb die Erstattung der gerichtlichen Verfahrensgebühr nicht. Umstritten ist hingegen, ob die Norm bei einem Anwaltswechsel nach einem Mahnverfahren oder nach einem selbstständigen Beweisverfahren anzuwenden ist.
bb) Der BGH hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Fall des Anwaltswechsels zwischen einem selbstständigen Beweisverfahren und dem nachfolgenden Hauptsacheverfahren anwendbar ist (BGH, Beschl. v. 26.10.2017 – V ZB 188/16, zVb Rn 8 ff). Die Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sei Ausdruck des in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO verankerten Grundsatzes, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten hat, wie es sich mit einer ihre Rechte wahrenden Prozessführung verträgt. Da es insoweit um die Kosten des Rechtsstreits gehe, sei nur ein Anwaltswechsel innerhalb des gerichtlichen Verfahrens angesprochen. Zu dem gerichtlichen Verfahren in diesem Sinne gehöre auch ein selbstständiges Beweisverfahren. Zwar handele es sich gebührenrechtlich um eine gegenüber dem Klageverfahren eigene Angelegenheit. Das Beweis- und das Erkenntnisver fahren seien aber sachlich, zeitlich und hinsichtlich der Beteiligten eng verflochten (BGH, Beschl. v. 26.10.2017, a.a.O. Rn 13).
cc) Für den Fall eines An...