RVG VV Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a); BRAO § 43 Abs. 6
Leitsatz
- Grundsätzlich ist die Dokumentenpauschale auch dann erstattungsfähig, wenn ein Rechtsanwalt Ausdrucke von einer auf einem digitalen Datenträger gespeicherten Akte anfertigt (entgegen OLG München, 3.11.2014 – 4c Ws 18/14, RVGreport 2015, 106 u. OLG Celle, 26.5.2016 – 1 Ws 245/16, RVGreport 2016, 417).
- Maßstab für die Vergütungsfähigkeit kann auch hier lediglich die Frage sein, ob ein Ausdruck zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Dies hängt zwar nicht von der subjektiven Auffassung des jeweiligen Rechtsanwalts, aber von der ihm zur Verfügung stehenden und auch zumutbaren technischen Ausstattung ab.
- Im Zusammenhang hiermit ist zu berücksichtigen, dass derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur Verwendung einer elektronischen Akte in Strafsachen samt Anschaffung einer entsprechenden technischen Ausstattung besteht. Insofern kann der Verteidiger auch (noch) nicht auf seine Fortbildungspflicht gem. § 43a Abs. 6 BRAO verwiesen werden.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.5.2017 – 2 Ws 98/17
1 Sachverhalt
Rechtsanwalt H war dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte er, seine Gebühren und Auslagen festzusetzen, darunter eine Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV i.H.v. 4.288,15 EUR für 28.471 Kopien (betreffend Ausdrucke aus der Ermittlungsakte für ihn selbst) sowie eine weitere Dokumentenpauschale Nr. 7000 Nr. 1 VV i.H.v. 4.273,15 EUR für 28.371 Kopien (betreffend Ausdrucke aus der Ermittlungsakte für seinen Mandanten).
Der Rechtspfleger als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des LG erhob Einwendungen gegen den Ansatz und die Höhe der Dokumentenpauschalen für die Ausdrucke aus der dem Verteidiger in digitalisierter Form zur Verfügung gestellten Ermittlungsakte unter Hinweis auf die Rspr. des OLG Rostock (Beschl. v. 4.8.2014 – 20 W 193/14), des OLG München (Beschl. v. 3.11.2014 – 4c Ws 18/14) und – hinsichtlich des Ausdrucks für den Mandanten – des OLG Frankfurt a.M. (Beschl. v. 13.11.2011 – 2 Ws 131/01) sowie des OLG Koblenz (Beschl. v. 16.11.2009 – 2 Ws 526/09).
Der Verteidiger führte hierzu aus, er benötige den vollständigen Aktenausdruck für sich. Zwar sei in der Kanzlei die entsprechende Hard- und Software zum Auslesen der in digitalisierter Form zur Verfügung gestellten Akten vorhanden. Ein Papierausdruck für den Verteidiger würde sich aber nur dann erübrigen, wenn auch das entsprechende Equip ment (Laptop) vorhanden wäre, um die digitalisierten Daten in der Hauptverhandlung nutzen zu können und auch die entsprechenden Kenntnisse des Verteidigers im Umgang hiermit vorhanden wären. Beides sei nicht der Fall. Eine Rechtspflicht zur Anschaffung des entsprechenden Equipments und Aneignung der hierzu erforderlichen Kenntnisse bestehe jedoch nicht und würde auch einen unzulässigen Eingriff in seine Berufsfreiheit darstellen. Ob und wenn ja welche Fundstellen aus den Akten das Gericht oder die Staatsanwaltschaft im Laufe des Verfahrens für wichtig halten und im Anschluss hieran ggf. die Verteidigung, vermag im Vorfeld nicht zuverlässig abgeschätzt werden.
Hinsichtlich des Angeklagten weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass es sich um einen polnischen, der deutschen Sprache kaum mächtigen Mandanten handele, mit dem nur eine sehr einfache und knappe Verständigung in deutscher Sprache möglich gewesen sei. In der Hauptverhandlung sei deshalb ein Dolmetscher zugezogen worden. Die Telefonüberwachung habe aus einer Zusammenfassung der zwischen polnischen Staatsbürgern geführten Telefonate in deutscher Sprache bestanden. Eine Zusammenfassung der auf über 28.000 Seiten abgebildeten Telefonate durch den Verteidiger sei daher nicht möglich gewesen. Nur der Mandant habe auch im Hinblick auf die Zusammenfassung der Telefonate den Kontext derselben und die nicht abgebildeten weiteren Inhalte der durch ihn geführten Telefonate gekannt.
Da ein Laptop in der Untersuchungshaft grundsätzlich nicht zugelassen sei und der Mandant ein solches auch nicht besessen habe, welches ggf. "JVA-zulassungsfähig" hätte gemacht werden können, sei in diesem Fall der Auszug eines Aktendoppels für den Mandanten geboten gewesen, damit dieser Zeit und ausreichend Gelegenheit hatte, sich mit den Inhalten der Telefongespräche auseinanderzusetzen und die Verteidigung vorzubereiten.
Das LG erließ durch den Rechtspfleger als Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einen vorläufigen Festsetzungsbeschluss, in welchem dem Pflichtverteidiger unter Ausklammerung der Dokumentenpauschale die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 2.706,30 EUR festgesetzt wurden.
Der Bezirksrevisor bei dem LG beantragte, den Antrag des Pflichtverteidigers auf Erstattung von insgesamt 8.561,30 EUR Kopierkosten zurückzuweisen.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des LG hat den hinsichtlich der Dokumentenpauschale noch offenen Antrag des Pflichtverteidigers zurückgewiesen. Zur Begründung bezog er sich vor allem auf die Stellungnahme der Bezirksrevisor...