RVG VV Nr. 2300; BGB § 249
Leitsatz
Reguliert ein Rechtsanwalt einen Verkehrsunfallschaden in eigener Sache selbst, so kann er gleichwohl die hierfür anfallende Vergütung als Schadenersatz geltend machen.
AG Köln, Urt. v. 11.12.2017 – 261 C 167/17
1 Sachverhalt
Der Anwalt war mit seinem betrieblich genutzten Fahrzeug in einen Verkehrsunfall verwickelt, der fremdverschuldet war. Er regulierte den Schaden mit dem Haftpflichtversicherer des Gegners selbst. Dieser leistete schließlich auch in voller Höhe Schadenersatz, weigerte sich allerdings die angefallenen Anwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nebst Auslagen zu übernehmen, die der Anwalt daraufhin einklagte. Das Gericht hat der Klage stattgegeben.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte gem. §§ 7, 17, 18 StVG, 115 VVG einen Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in geltend gemachter Höhe.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts stellen die durch die Kläger geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren einen ersatzfähigen Schaden i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB dar. Sie gehören zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und nach § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteil. Umfasst wird hier der erforderliche Aufwand, zu dem nach der Rspr. des BGH solche Kosten zählen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten dürfte. Hinsichtlich der Frage der Erforderlichkeit ist dabei auf eine ex-ante Sicht abzustellen. Grundsätzlich sind gerade bei Verkehrsunfällen die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als erforderlicher Aufwand zu ersetzen.
Lediglich dann, wenn ein einfach gelagerter Sachverhalt vorliegt, indem die Haftung dem Grunde und der Höhe nach derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass zu Zweifeln an der Erstattungsfähigkeit des Schädigers besteht und wenn es sich nicht um einen Geschädigten handelt, der selbst zur Geltendmachung der Schäden aus besonderen Gründen, wie etwa einen Mangel an geschäftlicher Gewandtheit, nicht in der Lage ist, eine Ersatzfähigkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu verneinen (BGH Urt. v. 8.11.1994 – IV ZR 3/94). Zu beachten ist dabei, dass es nicht ausreichend ist, wenn es eine der genannten Voraussetzungen zu bejahen ist. Vielmehr müssen beide kumulativ vorliegen. Das ist hier nicht der Fall.
Denn der hier betroffene Verkehrsunfall ist schon nicht ein derart einfach gelagerter Fall wie der, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag. Anders als im vom BGH entschiedenen Verfahren kollidierten hier zwei Fahrzeuge. In einem solchen Fall stellt sich automatisch die Frage der Betriebsgefahren (vgl. LG Krefeld, Urt. v. 7.4.2011 – 3 S 39/10). Die Anrechnung einer Betriebsgefahr kommt auch bei geparkten Fahrzeugen in Betracht.
Zu beachten ist außerdem, dass die Erforderlichkeit der Einschaltung aus der ex-ante Sicht zu beurteilen ist. Dass weder die Haftung dem Grunde nach noch die Höhe unstreitig sein würde, war für die Kläger nicht ohne Weiteres ersichtlich. Gerade bei der Schadenshöhe kommt es häufig zu Streitigkeiten über die Komplexität, die Höhe der Stundenverrechnungssätze, Verbringungskosten etc. So wurde auch hier zunächst eine Kürzung um 37,22 EUR vorgenommen. Ferner waren diverse weitere Positionen geltend zu machen, u.a. Mietwagenkosten. Bei dem Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten ist schon angesichts der deutschlandweit variierenden und unüberschaubaren Rspr. zu dieser Frage kein einfach gelagerter Fall gegeben.
Die Ersatzpflicht entfällt auch nicht, weil die Kläger selbst als Rechtsanwalt tätig wurden. Die Ersatzpflicht besteht auch, wenn sich ein Rechtsanwalt selbst vertritt, sofern ein Rechtskundiger die Einschaltung eines Anwalts für erforderlich ansehen dürfte (AG München, Urt. v. 28.1.2014 – 322 C 33323/03; AG Münster Urt. v. 9.2.2011 – 60 C 4389/10; BGH Urt. v. 10.11.2010 – IV ZR 188/08 [= AGS 2011, 49]; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn 39. Das war hier der Fall, s.o.
Der Höhe nach bestehen keine Bedenken gegen den geltend gemachten Anspruch. Eine 1,3 Gebühr ist bei einem durchschnittlichen Verkehrsunfall nicht zu beanstanden.
AGS 2/2018, S. 104