ZPO §§ 91 Abs. 1 S. 1, § 104 Abs. 3 S. 1
Leitsatz
Bestellt der Versicherer für sich und den Versicherungsnehmer einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten, so sind die zusätzlichen Kosten eines vom Versicherungsnehmer selbst beauftragten Anwalts nicht erstattungsfähig.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.12.2011 – 9 W 269/11-35
1 Sachverhalt
In dem Verfahren des LG wurden die Beklagten – der Beklagte zu 1) als Fahrer, die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des von dem Beklagten zu 1) geführten Kraftfahrzeugs – wegen eines Unfallereignisses als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen. Zunächst bestellte sich eine Rechtsanwaltskanzlei als Prozessbevollmächtigte für beide Beklagte. Später beauftragte der Beklagte zu 1) eine eigene Anwältin. Nach Abschluss des Verfahrens durch klageabweisendes Urteil beantragte die Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) die Festsetzung der diesem zu erstattenden Kosten, was sie, nachdem der Kläger dem Antrag entgegengetreten ist, damit begründet hat, dass dem Zivilverfahren ein Strafverfahren, in dem sie den Beklagten zu 1) vertreten habe, vorausgegangen sei und dem Beklagten zu 1) im Falle eines Unterliegens im vorliegenden Verfahren die Rückstufung gedroht habe. Das LG hat mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die von dem Kläger an den Beklagten zu 1) zu erstattenden Kosten nur in Höhe der Kosten eines Anwalts festgesetzt, allerdings unter Berücksichtigung der fiktiven Erhöhung um 0,3 für den zweiten Auftraggeber. Dagegen hat der Beklagte zu 1) sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er die Festsetzung von weiteren zu erstattenden Kosten erstrebt. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorlegt.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 576, 569 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Anwaltskosten hängt, auch wenn es jedem Streitgenossen unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich freisteht, einen eigenen Rechtsanwalt zu beauftragen, in Fallkonstellationen der vorliegenden Art davon ab, ob es für den Beklagten zu 1) notwendig war, sich durch einen weiteren, gesondert beauftragten Rechtsanwalt vertreten zu lassen, obwohl der Versicherer einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; denn nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die Kosten mehrerer Anwälte einer Partei vom unterlegenen Gegner nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Anwalts nicht übersteigen oder in der Person des Anwalts ein Wechsel erforderlich war. Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn ein konkreter sachlicher Grund die Inanspruchnahme von mehreren Prozessbevollmächtigten gebietet (grundlegend: BGH, Beschl. v. 20.1.2004 – VI ZB 76/03, m.w.N.). Der Umstand, dass nach den im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten zu 1) und seiner Haftpflichtversicherung geltenden Versicherungsbedingungen der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen hat (vgl. § 7 II Nr. 5 AKB 2007, E.2.4. AKB 2008) (siehe hierzu auch Prölss/Martin/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 7 AKB 2007, Rn 60, m.w.N., sowie 28. Aufl., E.2 AKB 2008, Rn 6, m.w.N.), sich damit also grundsätzlich jeder Einflussnahme auf die Prozessführung zu enthalten und auch von sich aus keinen Anwalt zu bestellen hat, rechtfertigt es nicht, dem Gegner die hierdurch entstehenden Mehrkosten aufzuerlegen. Vielmehr spricht diese Regelung gerade für eine Begrenzung der Kostenerstattungspflicht. Beim Versicherer handelt es sich nämlich regelmäßig um ein gewerbliches Unternehmen, das oft über eine eigene die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass sachkundige Mitarbeiter der Rechtsabteilung den Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereiten und ihren Prozessbevollmächtigten entsprechend unterrichten. Aber auch dann, wenn der Haftpflichtversicherer keine eigene Rechtsabteilung unterhält, sondern bei rechtlichen Schwierigkeiten einen Rechtsanwalt an seinem Geschäftsort beauftragt (sog. "Outsourcing"; vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 11.11.2003 – VI ZB 41/03), ist die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts für den Versicherungsnehmer, wenn er ersichtlich kein über die Interessen des Versicherers hinausgehendes oder ihnen entgegen gerichtetes Prozessziel verfolgt, nicht bzw. nicht mehr erforderlich, sobald der Versicherer den Rechtsstreit aufnimmt (BGH a.a.O.; siehe auch BGH zfs 2009, 283; OLG Nürnberg MDR 2011, 1284, m.z.w.N.; KG KGR 2008, 734). Zu keiner anderen Beurteilung zwingt im Streitfall der Umstand, dass die beauftragte Prozessbevollmächtigte den Beklagten zu 1) auch in einem dem vorliegenden Zivilprozess vorausgegangenen...