RVG §§ 3a Abs. 1 S. 1, 61 Abs. 2

Leitsatz

Für den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung sind nicht die im Zeitpunkt der unbedingten Auftragserteilung, sondern die im Zeitpunkt des Zustandekommens der Vereinbarung geltenden rechtlichen Regelungen maßgeblich.

BGH, Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 47/11

1 Sachverhalt

Die klagenden Rechtsanwälte vertraten die Beklagte aufgrund eines ihnen vor dem 1.7.2008 erteilten mündlichen Mandats in einem Rechtsstreit bei dem LG. Im Blick auf den Umfang ihrer Tätigkeit in diesem Verfahren leiteten sie unter dem Datum des 13.6.2008 der Beklagten ein mit "Honorarvereinbarung" überschriebenes Schriftstück zu, nach dessen Inhalt sich die Beklagte "neben den gesetzlichen Gebühren" zur Zahlung von "6.000,00 EUR zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer" verpflichtete. Eingangs der Urkunde sind als Vertragspartner die Kläger und die Beklagte mit Name und Anschrift bezeichnet. Am Ende des Schriftstücks ist für die Vertragschließenden oberhalb der Begriffe "Anwaltsbüro" und "Auftraggeber" jeweils eine Unterschriftszeile eingerückt. Die von ihr an der vorgesehenen Stelle unterzeichnete Honorarvereinbarung sandte die Beklagte unter Beifügung die Fälligkeit betreffender, unterhalb der Unterschriftszeile und ihrer Unterschrift angebrachter handschriftlicher Ergänzungen mit Telefax am 23.7.2008 an die Kläger zurück. Eine Unterzeichnung des Schriftstücks seitens der Kläger ist nicht erfolgt. Am 4.8.2008 zahlte die Beklagte entsprechend der von ihr modifizierten Fälligkeitsregelung 2.000,00 EUR nebst Umsatzsteuer, also insgesamt 2.380 EUR, an die Kläger.

Die Beklagte kündigte das Mandat zu den Klägern am 14.12.2008. Nach Abschluss des Rechtsstreits vor dem LG verlangen die Kläger von der Beklagten Zahlung des Restbetrags aus der Honorarvereinbarung über 4.000,00 EUR nebst Umsatzsteuer, mithin 4.760,00 EUR. Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage Erstattung der von ihr erbrachten Zahlung von 2.380,00 EUR.

Die Vordergerichte haben die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

2 Aus den Gründen

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Zahlungsanspruch der Kläger sei unbegründet, weil eine wirksame Vergütungsvereinbarung gem. § 3a RVG in seiner ab dem 1.7.2008 geltenden Fassung zwischen den Parteien nicht zustande gekommen sei. Da die Honorarvereinbarung nicht vor dem 1.7.2008 geschlossen worden sei, finde § 4 RVG in der bis dahin geltenden Fassung keine Anwendung. Eine dem Erfordernis der Schriftlichkeit genügende Erklärung habe die Beklagte erst am 23.7.2008 abgegeben. Im Blick auf das anwendbare Recht sei § 61 Abs. 2 RVG, der lediglich den Übergang von der BRAGO zum RVG regele, nicht einschlägig. Nach § 60 Abs. 1 RVG sei die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit vor einer Gesetzesänderung erteilt worden sei. In Anwendung dieser Bestimmung wäre auf die Honorarvereinbarung nicht § 3a RVG, sondern § 4 RVG a.F. anzuwenden. § 60 RVG bezwecke nach seinem Grundgedanken eine Veränderungssperre hinsichtlich der bestimmenden Faktoren für Grund und Höhe einer Rechtsanwaltsvergütung. Im Falle einer individuellen Vergütungsvereinbarung werde deren Höhe nicht mit der Erteilung des Mandats, sondern erst mit dem Abschluss der Honorarvereinbarung bestimmt. Daher könne es für die Frage, ob eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung zur Vergütung wirksam getroffen sei, nur auf den Zeitpunkt ihres Abschlusses ankommen.

Eine wirksame Vergütungsvereinbarung nach § 3a RVG sei vorliegend nicht gegeben. In der Rücksendung der unterzeichneten Honorarvereinbarung durch die Beklagte liege schon deshalb keine Annahme des Antrags, weil die von der Beklagten stammende Erklärung von dem Antrag abweiche und gem. § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag zu verstehen sei. Eine wirksame Annahme dieses Antrags durch die Kläger sei nicht vorgetragen und scheitere überdies an der Nichtbeachtung der Textform des § 126b BGB.

Die Widerklage sei gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB begründet. Die Zahlung der Beklagten entbehre mangels einer wirksamen Honorarvereinbarung eines Rechtsgrundes. Dem Anspruch stehe nicht die Einrede aus § 814 BGB, § 4b S. 2 RVG entgegen.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis stand. Für die Form der hier zu beurteilenden Gebührenvereinbarung gilt aufgrund einer analogen Anwendung des in § 61 Abs. 2 RVG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedankens die durch das Gesetz vom 12.6.2008 zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren (BGBl I S. 1000, 1003) mit dem 1.7.2008 in Kraft getretene Regelung des § 3a Abs. 1 S. 1 RVG. Da den nach dieser Vorschrift zu beachtenden Anforderungen der Textform (§ 126b BGB) nicht genügt ist, erweist sich die zwischen den Parteien geschlossene Vergütungsvereinbarung als nichtig (§ 125 S. 1 BGB). Folglich besteht kein Anspruch auf d...

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