"Früher haben wir manchmal die Größe der Kanzleischilder ausgemessen und uns mit der Größe einer Personalsuchanzeige befasst, dann mussten wir überprüfen, ob die Werbung auf der ganzen Länge einer Straßenbahn noch angemessen ist, und heute sehen wir in der Sportschau die wechselnde Bandenwerbung von Anwaltsbüros in großen Stadien."

Der Stoßseufzer eines lang gedienten Kammervorstandsmitgliedes markiert ansatzweise die Entwicklung des anwaltlichen Werberechts; letztendlich war bis zu den Bastillebeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 14.7.1987 dem Anwalt jede Werbung verboten: Das Kanzleischild – bitte möglichst unauffällig! –, die Praxiseröffnungs- oder -umzugsanzeige oder die Personalsuchanzeige waren so ziemlich die einzigen zugelassenen Werbemöglichkeiten. Ein Freiburger Anwalt erkühnte sich, (potentielle) Mandanten zu einem Konzert in seine Kanzlei einzuladen, auch das wurde nicht gelitten.

Gerhard Ring verzichtet auf einen historischen Vorspann und stellt auf rund 350 Seiten den aktuellen Literatur- und insbesondere Rechtsprechungsstand zum anwaltlichen Werberecht dar, wobei er die einschlägigen Entscheidungen kurz und so präzise wiedergibt, dass nicht unbedingt in jedem Fall die Entscheidung selbst komplett gelesen werden muss.

Im Widerspruch zu Kleine-Cosack macht er schon im Vorwort deutlich, dass die Werbung eines Anwalts, eines Organs der Rechtspflege (§ 1 BRAO), anders zu beurteilen ist als die Werbung eher kaufmännisch orientierter verkammerter Berufe wie z.B. der Apotheker. Diese kurze und knappe Auseinandersetzung mit Kleine-Cosack hat ihm zu Unrecht den Vorwurf eingebracht, sein Buch befasse sich im Wesentlichen mit der Verhinderung von Werbung (Anonymus in AnwBl H.1/2012 M 32). Die Rechtsprechung jedenfalls scheint der Auffassung von Kleine-Cosack, dass jede Einschränkung anwaltlicher Werbung gegen Art. 12 GG verstoße, nicht so recht folgen zu wollen.

Im ersten Teil befasst sich Ring mit den gesetzlichen Normen anwaltlichen Werberechts, ob es sich nun beispielhaft um die Benennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit (§ 7 BORA) oder um den Briefbogen (§ 10 BORA) handelt oder die Kundgabe einer gemeinschaftlichen Berufsausübung oder die Vereinbarung von Erfolgshonoraren.

Beleuchtet wird in der notwendigen Kürze präzise das Verhältnis von Berufsrecht und UWG, das Einführungskapitel schließt mit der Darstellung der berufsrechtlichen Sanktionen.

Äußerst nützlich für die schnelle Information ist der zweite Teil, die Darstellung der anwaltlichen Werbung von A bis Z. Hier besteht Wettbewerb zum Berufsrechts- und Werbe-ABC bei Hartung, Anwaltliche Berufsordnung. Der Vergleich einzelner Stichworte zeigt, dass Ring die Rechtsprechung als Neuerscheinung präzise verarbeitet und sie der Übersichtlichkeit halber in den Fußnoten statt im fließenden Text aufführt. Rechtsprechungsbeispiele tauchen unter unerwarteten Stichworten auf, so z. B. "Bulle, als Logo" oder "Hol Dir Dein Recht!". Die Plattheit mancher Werbung findet so im Stichwort-ABC ihren augenzwinkernden Niederschlag.

Mit dem Gebührenrecht befasst sich Ring beispielsweise unter dem Stichwort "Gebührenunterschreitung"; ob die Entscheidung des LG Freiburg (NJW 2007, 160 = AnwBl 2007, 376) angesichts ihrer Besonderheit eines zugestandenen geheimen Vorbehalts einer höheren Honorarforderung als die angepriesenen EUR 9,99 einer derart umfangreichen Darstellung bedurft hätte, ist durchaus fraglich, zumal die Neufassung von § 34 RVG in dieser Entscheidung eher eine untergeordnete Rolle spielt. Die Behandlung des Erfolgshonorars im Stichwortverzeichnis überrascht dann, bezieht sie sich doch auf eine veraltete Entscheidung des Bayerischen AGH, BRAK-Mitteilung 2005, 198, und behandelt die im ersten Teil des Buches ausführlich besprochene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 117, 163 = NJW 2007, 979 = AnwBl 2007, 297 = AGS 2007, 168) im Werbe-ABC nicht. Im Einführungsteil setzt sich Ring mit dieser Entscheidung sehr ausführlich auseinander; die Darstellung der Neufassung des § 49b BRAO hierzu hätte den Einbezug der ersten (äußerst problematischen), nicht rechtskräftigen Erfolgshonorarentscheidung (LG Berlin AnwBl 2011, 148 = AGS 2011, 14) erwarten lassen.

Für die alltägliche Praxis des Anwalts bietet das Buch eine Fülle praktischen Wissens; für den Bearbeiter anwaltlichen Berufsrechts, sei es als Kammervorstandsmitglied, sei es als Anwaltsrichter o.Ä., ist das Buch kaum verzichtbar.

Autor: Klaus Winkler

Rechtsanwalt Klaus Winkler, Kenzingen

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