RVG § 14 Abs. 1 S. 1 RVG VV Nrn. 5100, 5101, 5107
Leitsatz
- Ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer zur Höhe der abgerechneten Rechtsanwaltsgebühren muss im Prozess des Mandanten gegen seinen Rechtsschutzversicherer nicht eingeholt werden, da § 14 Abs. 2 RVG keine Anwendung findet.
- In alltäglichen Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren ist nicht nur pauschal eine im unteren Bereich liegende Gebühr als angemessen anzusehen. Auch bei Bußgeldsachen ist vielmehr eine Gesamtwürdigung vorzunehmen und nicht allein auf das Kriterium der "Bedeutung der Angelegenheit" i.S.d. § 14 Abs. 1 RVG abzustellen.
- Grundsätzlich gilt in allen Normalfällen die Mittelgebühr, die jedoch nicht grundsätzlich als angemessene Gebühr angenommen werden kann. Ein Normalfall wird regelmäßig dann vorliegen, wenn die nach § 14 Abs. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, wenn also eine übliche Bedeutung der Angelegenheit, ein durchschnittlicher Umfang, eine durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen gegeben sind. Eine Mittelgebühr kann aber auch dann angemessen sein, wenn einige Umstände unterdurchschnittlicher Natur, andere dagegen überdurchschnittlicher Natur sind.
- Es verbietet sich, allein darauf abzustellen, dass es wirtschaftlich unter Umständen wesentlich günstiger wäre, das Bußgeld stillschweigend zu akzeptieren und keinen Anwalt zu beauftragen. Das Gesetz sieht vor, dass Rechtsmittel auch gegen geringe Geldbußen eingelegt werden können und hierbei ein Anwalt eingeschaltet werden kann. Soweit die Rechtsschutzversicherung hierfür keinen vertraglichen Ausschluss für Bagatellfälle vereinbart hat, ist sie gehalten, ihrem Vertragspartner nach den Kriterien des § 14 RVG angemessene Honorare zu ersetzen.
- Auch der Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit kann ein zulässiges Bewertungskriterium i.S.d. § 14 RVG sein.
AG München, Urt. v. 18.10.2013 – 281 C 8692/13
1 Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus dem mit der Beklagten geschlossenen Verkehrsrechtsschutzversicherungsvertrag zu. Die berechneten Rechtsanwaltsgebühren erfüllen die Voraussetzungen des § 14 RVG. Ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer musste zur Beantwortung dieser Frage nicht eingeholt werden, da § 14 Abs. 2 RVG im Prozess des Mandanten gegen seinen Rechtsschutzversicherer keine Anwendung findet (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 14 Rn 67).
Der Rechtsanwalt bestimmt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem (aber nicht nur) des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Unverbindlich ist seine Festsetzung gegenüber Dritten, insbesondere der Rechtsschutzversicherung, nur, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 S. 3 RVG.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die im streitgegenständlichen Fall vom Anwalt des Klägers in einer Verkehrssache angesetzte Gebühr von jeweils 55,00 EUR nach Nrn. 5100, 5101 und 5107 VV unangemessen hoch ist. Sie erachtet eine Gebühr von 20,00 EUR nach Nr. 5100 W RVG und jeweils 10,00 EUR nach Nr. 5101 und 5107 W RVG für angemessen.
Über die angesetzte Gebühr nach Nr. 5115 VV in Höhe von 55,00 EUR besteht zwischen den Parteien kein Streit.
Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass in alltäglichen Verkehrsordnungswidrigkeiten pauschal nur eine im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühr angemessen ist. Auch bei Bußgeldsachen ist eine Gesamtwürdigung durchzuführen und nicht allein auf das Kriterium der "Bedeutung der Angelegenheit" i.S.d. § 14 Abs. 1 RVG abzustellen (vgl. z.B. LG München I, Beschl. v. 11.2.2008 – 14 Qs 119/07; AG München, Urt. v. 3.5.1995 – 141 C 4214/94; AG Friedberg, Urt. v. 8.2.2013 – 2 C 1418/12).
Grundsätzlich soll in allen Normalfällen die Mittelgebühr gelten. Dabei darf die Mittelgebühr freilich nicht grundsätzlich als angemessene Gebühr angenommen werden. Ein Normalfall wird regelmäßig dann vorliegen, wenn die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, wenn also eine übliche Bedeutung der Angelegenheit, ein durchschnittlicher Umfang, eine durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers vorliegen. Eine Mittelgebühr kann aber auch dann angemessen sein, wenn manche Umstände unterdurchschnittlicher, andere Umstände dagegen überdurchschnittlicher Natur sind, vgl. Mayer/Kroiß, RVG. 6. Aufl., § 14 Rn 11.
Es verbietet sich aus Sicht des Gerichtes, allein darauf abzustellen, dass es wirtschaftlich unter Umständen wesentlich günstiger wäre, das Bußgeld stillschweigend zu akzeptieren und keinen Anwalt zu beauftragen. Das Gesetz sieht es vor, dass Rechtsmittel auch gegen geringe Geldbußen eingelegt werden können und hierfür ein Anwalt eingesetzt werden kann. Soweit die Rechtsschutzversicherung keinen vertraglichen Ausschluss für derartige Bag...