RVG §§ 9, 14
Leitsatz
- Bei der Frage, ob der Vorschuss angemessen ist, sind die Kriterien des § 14 RVG zu beachten.
- Eine über die Mittelgebühr von 1,3 hinausgehende Geschäftsgebühr kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig, also überdurchschnittlich, gewesen ist oder voraussichtlich sein wird.
AG Düsseldorf, Urt. v. 7.3.2013 – 32 C 11174/12
1 Sachverhalt
Der rechtsschutzversicherte Kläger beauftragte Rechtsanwalt R mit der Vertretung in einer Arzthaftungssache. Für dieses Verfahren erteilte die Beklagte Deckungsschutz. Rechtsanwalt R berechnete daraufhin gegenüber dem Kläger einen Vorschuss in Höhe einer 2,1-Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 91.670,40 EUR. Zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer ergab sich ein Betrag von 3.215,02 EUR. Abzüglich der von dem Kläger zu zahlenden Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 EUR verbleibt ein Betrag in Höhe von 3.065,02 EUR. Auf diesen Betrag zahlte die Beklagte einen Teilbetrag in Höhe von 1.849,22 EUR, was einer 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer entspricht.
Dem Versicherungsfall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger warf der ihn zuvor behandelnden Klinik vor, gegen medizinische Standards verstoßen zu haben. Weiter warf er dem Krankenhaus vor, für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers verantwortlich zu sein. Dem Kläger wurde im Jahr 2000 das erste künstliche Hüftgelenk links eingesetzt. Beim Wechsel dieses Hüftgelenks kam es im Jahr 2011 zu Komplikationen, hauptsächlich durch Wundsekret.
Rechtsanwalt R hat bislang zwei Schreiben an die behandelnden Ärzte verfasst, in denen er um die Übersendung der Behandlungsunterlagen bat. Für die Schadensberechnung wandte er bislang 4 bis 5 Stunden auf. Weiter besprach er die Patientenakten mit dem Kläger.
Der Kläger ist der Ansicht, die Geltendmachung einer 2,1-Geschäftsgebühr im Rahmen der Vorschussrechnung sei angemessen. Hierzu behauptet er, es sei zu erwarten, dass Rechtsanwalt R zukünftig mehr als 25 Stunden für das Mandat tätig sein werde. Ein zu erstellendes Privatgutachten sei auszuwerten und an die Versicherung heranzutragen. Daran werde sich die "übliche Korrespondenz" mit dem Sachverständigen des Krankenhauses und der Haftpflichtversicherung anschließen. Arzthaftungsrecht sei per se schwierig. Der Kläger werde nie wieder beschwerdefrei gehen oder gar laufen können.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freistellung der von Rechtsanwalt R geltend gemachten Anwaltskosten, da Rechtsanwalt R im vorliegenden Fall für die außergerichtliche Inanspruchnahme im Rahmen der Vorschussrechnung nur eine 1,3-Geschäftsgebühr begehren kann.
Rechtsanwalt R macht einen Vorschuss gem. § 9 RVG geltend. Nach dieser Vorschrift kann der Rechtsanwalt für die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen "angemessenen" Vorschuss fordern. Bei der Frage, ob der Vorschuss angemessen ist, sind die Kriterien des § 14 RVG zu beachten.
Nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist die Höhe im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Bedeutung der Angelegenheit nach billigem Ermessen zu bestimmen.
Hier entspricht die geltend gemachte Geschäftsgebühr von 2,1 nicht der Billigkeit. Eine über die Mittelgebühr von 1,3-hinausgehende Geschäftsgebühr kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig, also überdurchschnittlich, gewesen ist bzw. – im Rahmen einer Vorschussrechnung – voraussichtlich sein wird. Vorliegend handelt es sich nicht um eine überdurchschnittliche Tätigkeit, die eine höhere Gebühr als die Mittelgebühr rechtfertigen würde. Dies gilt sowohl für die bereits erbrachte Tätigkeit als auch für die noch zu erwartende Tätigkeit. Die erbrachte Tätigkeit ist ihrem Umfang nach bislang eher unterdurchschnittlich einzuordnen. Herr Rechtsanwalt R hat lediglich zwei Schreiben verfasst, in denen er um Übersendung von Behandlungsunterlagen gebeten hat. Auch die bislang erfolgte Schadensberechnung sowie die Durchsprache der Patientenakten mit dem Kläger sind als unterdurchschnittlich einzuordnen. Der pauschale Verweis darauf, dass noch mit mehr als 25 Stunden Tätigkeit zu rechnen sei, reicht nicht aus, um hinsichtlich des Umfangs der Tätigkeit eine überdurchschnittliche Tätigkeit anzunehmen. Selbst wenn man den vom Kläger vorgetragenen zu erwartenden Stundenaufwand als wahr unterstellt, müssten auch eine Vielzahl von Besprechungen und umfangreiche Schreiben zu erwarten sein, um eine umfangreiche Tätigkeit unterstellen zu können. Hierzu fehlt konkreter Vortrag. Der Verweis auf die Auswertung eines Privatgutachtens und auf die "übliche Korrespondenz" reicht nicht aus, um eine umfangreiche Tätigkeit in der Zukunft annehmen zu können.
Es handelt sich vorliegend auch nicht um eine schwierige anwaltliche Tätigkeit. Allein die Tatsache, dass es sich um einen Fall aus dem Medizinrecht handelt, bedeutet nicht per se, dass von einer schwierigen Angelegenheit ausz...