RVG VV Nr. 4141
Leitsatz
Für das Entstehen der Befriedungsgebühr bei Rücknahme einer Berufung kommt es allein darauf an, ob eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit ersichtlich ist. Anders als im Revisionsverfahren bedarf es einer bereits erfolgten Vorlage der Verfahrensakten an das für das Rechtsmittel zuständige Gericht nicht.
OLG Celle, Beschl. v. 22.1.2014 – 1 Ws 19/14
1 Sachverhalt
Das AG hatte den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Einbeziehung weiterer Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und darüber hinaus wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit Diebstahl in vier Fällen, wobei er in zwei Fällen tateinheitlich mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis handelte und wegen Hehlerei in zwei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Hiergegen hat der Angeklagte durch einen Schriftsatz seines ihm beigeordneten Verteidigers v. 26.3.2013 Berufung eingelegt. In der Folgezeit hat der Verteidiger die Rücknahme der Berufung in Aussicht gestellt für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft die Vollstreckungsreihenfolge der gegen den Angeklagten zu vollstreckenden Freiheitsstrafen in der Weise abändere, dass die Strafvollstreckung nach Teilverbüßung gem. § 35 BtMG zurückgestellt werden könnte. Hierzu hat er mit der Abteilungsleiterin der Staatsanwaltschaft ein persönliches Gespräch geführt und mit Schreiben v. 19.6.2013 bzw. 8.7.2013 um die Abänderung der Vollstreckungsreihenfolge ersucht. Nachdem die Staatsanwaltschaft diesem Ersuchen nachgekommen war, hat der Verteidiger die Rücknahme der Berufung erklärt, ohne dass die Akten bis dahin dem Berufungsgericht vorgelegen hatten.
Daraufhin hat der Verteidiger die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen einschließlich einer Verfahrensgebühr gem. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141, 4124 VV beantragt. Diese Verfahrensgebühr hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle für das Berufungsverfahren abgesetzt. Auf die Erinnerung des Verteidigers hat das AG die Festsetzung der Gebühr beschlossen. Hiergegen hat die Bezirksrevisorin am AG Beschwerde erhoben, die durch die Kammer in der Besetzung mit drei Richtern mit dem angefochtenen Beschluss verworfen worden ist. Zugleich hat die Kammer die weitere Beschwerde zugelassen.
Mit ihrer weiteren Beschwerde trägt die Bezirksrevisorin vor, dass nach dem Wortlaut der Anm. Abs. 1 Nr. 3 Nr. 4141 VV die Befriedungsgebühr nur entstehe, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Berufung erledige. Dies setze den Eingang der Verfahrensakten beim LG als Berufungsinstanz voraus, weil erst dann eine Hauptverhandlung vermieden werden könne. Dies sei bei der entsprechenden Konstellation im Revisionsverfahren anerkannt und müsse auch für das Berufungsverfahren Anwendung finden, um einen eindeutigen Anknüpfungspunkt für das Entstehen der Befriedungsgebühr zu bieten. Zudem sei die erhobene Berufung aufgrund sachfremder Beweggründe erhoben worden. Das Anliegen des Verteidigers hätte auch nach Rechtskraft des Urteils im Vollstreckungsverfahren erreicht werden können, sodass eine entsprechende Tätigkeit des Verteidigers durch Nr. 4205 VV abgegolten hätte werden können.
Das OLG hat die weitere Beschwerde zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen
Zu Recht hat die Kammer die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des AG verworfen. Das AG Hannover hat die Befriedungsgebühr der Nr. 4141 i.V.m. 4124 VV zutreffend festgesetzt.
Mit der Befriedungsgebühr soll eine intensive und zeitaufwändige Tätigkeit des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führt, gebührenrechtlich honoriert werden (vgl. OLG Oldenburg NStZ-RR 2011, 96). Zutreffend hat die Kammer darauf abgestellt, dass es im Berufungsverfahren anders als im Revisionsverfahren (vgl. OLG Oldenburg a.a.O.; OLG Hamburg StRR 2009, 239; OLG Stuttgart Rpfleger 2007, 284 [= AGS 2007, 402]; OLG Köln AGS 2008, 447; OLG Brandenburg NStZ-RR 2007, 288 [= AGS 2007, 403]; OLG Koblenz, Beschl. v. 15.5.2008 – 1 Ws 229/08; OLG Saarbrücken JurBüro 2007, 28; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.5.2005 – 1 Ws 164/05 [= AGS 2006, 74]; OLG Jena RVG-Letter 2007, 656; OLG Hamm StraFo 2006, 474 [= AGS 2006, 548]) dabei auf den Eingang der Akten beim Rechtsmittelgericht nicht ankommt. Während im Revisionsverfahren die Durchführung einer Hauptverhandlung die Ausnahme ist und sich das Erfordernis hierfür erst dann ergibt, wenn das Revisionsgericht nicht gem. § 349 Abs. 1, 3 oder 4 StPO im Beschlusswege entscheidet (§ 349 Abs. 5 StPO), die nach Nr. 4141 VV erforderliche Anwaltsmitwirkung an der Entbehrlichkeit einer Hauptverhandlung sich damit auch erst nach Eingang der Verfahrensakten beim Revisionsgericht feststellen lassen kann, ist die Durchführung einer Hauptverhandlung im Berufungsverfahren der Regelfall. Da auch der Wortlaut der Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 3 VV nur zwischen begonnener und nicht begonnener Hauptverhandlun...