Leitsatz
- Bei erheblichem Vermögen ist vom Vermögen für jeden Ehegatten ein Freibetrag i.H.v. 60.000,00 EUR abzuziehen.
- Von dem danach verbleibenden Vermögen sind 5 % für die Wertfestsetzung heranziehen.
- Für die Folgesache Versorgungsausgleich ist auch dann ein Wert festzusetzen, wenn die Eheleute in einer notariell beurkundeten Vereinbarung auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet haben.
- Angemessen ist es in diesem Fall i.d.R. den Mindestwert von 1.000,00 EUR anzusetzen.
- Hat das FamG bei der Festsetzung des Verfahrenswerts für das Scheidungsverbundverfahren den Wert für eine Folgesache (hier: Versorgungsausgleich) einen Wert zu berücksichtigen, kann das Beschwerdegericht dies nachholen. Es liegt insoweit keine unzulässige erstmalige Festsetzung durch das Rechtsmittelgericht vor.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.1.2015 – 11 WF 6/15
1 Sachverhalt
Das FamG hatte den Verfahrenswert für das Scheidungsverfahren auf 175.000,00 EUR festgesetzt. Es hat bei der Festsetzung des Verfahrenswertes die unstreitigen Einkünfte der Beteiligten zugrunde gelegt, für den Antragsteller Nettoeinkünfte in Höhe von 7.000,00 EUR und für die Antragsgegnerin in Höhe von 1.400,00 EUR. Ferner hat es das Vermögen der Beteiligten, welches in der Sitzung mit etwa 1,5 Mio. angegeben worden ist, berücksichtigt, indem es 10 % des Vermögens werterhöhend dem dreifachen Einkommenswert hinzugerechnet hat. Gegen diesen Beschluss legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein. Sie wendet sich dagegen, dass das Vermögen der Beteiligten mit 10 % und ohne Vorwegabzug von Freibeträgen berücksichtigt worden ist, obwohl lediglich eine einverständliche Scheidung vorlag. Es errechne sich ein Verfahrenswert von 89.200,00 EUR bei Zugrundelegung eines Vermögens von etwa 1,4 Mio. nach Abzug von Freibeträgen für die beiden Ehegatten in Höhe von je 60.000,00 EUR und Berücksichtigung eines Bruchteils des auf diese Weise bereinigten Vermögens von 5 %.
Die Beschwerde, der das FamG nicht abgeholfen hat, hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Berechnung des Verfahrenswertes in Ehescheidungssachen richtet sich nach §§ 43 und 50 FamGKG. Entsprechend § 43 Abs. 1 FamGKG ist in Ehesachen der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten nach Ermessen zu bestimmen. Abs. 2 dieser Vorschrift regelt, dass für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen ist. Darüber hinaus sind die Vermögensverhältnisse der Ehegatten zu berücksichtigen. Die Anknüpfung an das Einkommen und die wirtschaftliche Situation dient dem legitimen Ziel, eine nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelte Gebührenerhebung zu ermöglichen (BVerfG FamRZ 1989, 944). Dem entspricht es, auch das Vermögen der Ehegatten, insbesondere wenn es eine bestimmte Größenordnung erreicht, bei der Bewertung einzubeziehen.
Vorliegend unstreitig hat das Nettoeinkommen der Beteiligten insgesamt 8.400,00 EUR betragen, sodass insofern ein Betrag von 25.200,00 EUR zu berücksichtigen ist. Entsprechend dem ergänzenden Vortrag der Antragsgegnerin im Rahmen der sofortigen Beschwerde ist davon auszugehen, dass die Beteiligten überdies über ein Vermögen in Höhe von etwa 1,4 Mio. verfügen. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um das Reinvermögen, also nach Abzug sämtlicher Verbindlichkeiten, handelt. Nach überwiegender Ansicht in der Rspr. sind von diesem Reinvermögen Freibeträge abzuziehen. Dieser Abzug eines Freibetrags hat in Anlehnung an das frühere Vermögenssteuerrecht (§ 6 Vermögenssteuergesetz) seinen Grund darin, den Ehegatten zu ermöglichen, eine durchschnittliche Vorsorge für die "Wechselfälle des Lebens" zu treffen (KG FamRZ 2010, 829). Die Höhe der Freibeträge wird allerdings nicht einheitlich gehandhabt: Teilweise werden 60.000,00 EUR pro Ehegatten in Abzug gebracht (vgl. OLG Koblenz FamRZ 2003, 1681 [= AGS 2003, 409]; OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1940 [= AGS 2011, 451]; OLG München FamRZ 2009, 1703), teilweise 30.000,00 EUR pro Ehegatte (OLG Brandenburg FamRZ 2011, 755; OLG Celle FamRZ 2013, 149; KG FamRZ 2010, 829: mindestens 30.000,00 EUR) oder auch nur 15.000,00 EUR pro Ehegatte (OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 2050; OLG Stuttgart FamRZ 2009, 1176; eine Übersicht findet sich bei Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG. 2. Aufl. 2014, Türck-Brocker § 43 Rn 35). Von dem nach Abzug der Freibeträge verbleibenden Vermögen wird wiederum nur ein Bruchteil für die Wertfestsetzung verwendet, da § 43 FamGKG auf die Vermögensverhältnisse, nicht hingegen auf das Vermögen abstellt. Nicht einheitlich gehandhabt wird, in welcher Größenordnung ein Abzug erfolgt: Es werden zum Teil 5 % (OLG Celle FamRZ 2013, 149; OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 2050; OLG Hamm FamRZ 2006, 353), zum Teil auch 10 % (OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 249; KG FamRZ 2010, 829) als Vermögen berücksichtigt. Teilweise wird auch kein starrer Prozentsatz verwendet, sondern nach den Umständen des Einzelfalls entschieden (OLG Stuttgart FamRZ 2010...